Rezension: TOS – „The Children of Kings“

Dave Stern gehört zu meinen Lieblingsautoren bei Star Trek, von ihm stammen 4 „Enterprise“-Romane (vor dem Relaunch), von denen ich bereits 3 gelesen habe und die ich alle wirklich sehr gut bis hervorragend fand und war daher sehr erfreut, dass er im Jahr 2010 auch einen TOS-Roman geschrieben hat. („Enterprise“ war in der Zwischenzeit bedauerlicherweise in die Hände des Autorenduos Mangels&Martin gelegt worden.)

„The Children of Kings“ hat als TOS-Roman wirklich eine interessante Ausgangssituation. Einerseits weil er 2010 erschien, einem Jahr, in dem es einige neue TOS-Romane gab, nachdem mehrere Jahre keine neuen Geschichten über die Enterprise erschienen waren. Inzwischen war die TV-Serie „Enterprise“ abgeschlossen und auch der elfte Kinofilm längst erschienen. Dave Stern konnte also all diese Canon-Infos in seinem Roman berücksichtigen und lässt gleich im ersten Kapitel ein paar dieser Infos in die Geschichte einfließen. So wie z.B. die Differenzen zwischen Erde und Vulkan in den Jahrzehnten nach dem Erstkontakt (siehe „Enterprise“) oder die klingonische Schiffe der „Warbird-Klasse“ (siehe Star Trek 11). Im Zusammenspiel mit der starken Präsenz von Klingonen und Orionern als klassische TOS-Spezies fühlt sich „The Children of Kings“ wie eine „moderne“ TOS-Folge an. Es ist schwierig es in Worte zu fassen, aber vielleicht trifft es der Vergleich zwischen Western und Neo-Western einigermaßen.

Ein weiterer Umstand, der den Roman so interessant macht: Er ist in jener Zeit angesiedelt, als Captain Pike das Kommando über die Enterprise hatte. Der Roman beginnt einige Zeit vor „The Menagerie“, ein paar Monate nachdem Pike, Nummer Eins, Mister Spock, Doktor Boyce & Co. zu ihrer 5-Jahres-Mission aufgebrochen sind. Es gibt nicht besonders viele Romane, die diese Zeit (die 2250er der alten Zeitlinie) abdecken und nun, mit dem Kontext einer existierenden Vorgeschichte zu dieser Zeit, war ich natürlich besonders gespannt darauf, was Dave Stern daraus macht.

Die Geschichte beginnt damit, dass eine Starbase der Föderation in der Nähe des Borderlands (das Grenzgebiet zwischen Klingonischem Imperium und den Orionern) zerstört wird. Die Hinweise deuten auf Klingonen hin, ein Verdacht der verstärkt wird, als sich die geheimnisvolle Anführerin der Orioner – Liyan – mit der Enterprise in Verbindung setzt und die Zerstörung von orionischen Außenposten beklagt. Doch kurz nachdem sich Captain Pike, Doktor Boyce und ein Sicherheitsteam per Shuttle zum Orioner-Schiff begeben, wird schnell klar, dass die Orioner etwas zu verbergen haben. Tatsächlich ging es ihnen primär darum, den guten Doktor in ihre Finger zu bekommen, der für Liyan ein Serum synthetisieren soll, das ihre Herrschaftszeit über die Jahrhunderte hinweg sichern soll – und ihrer Fähigkeiten, Einigkeit zwischen den zerstrittenen Clans und Organisationen der Orioner herzustellen.

In „The Children of Kings“ erzählt uns Dave Stern eine interessante orionische Historie, laut der die Orioner bereits vor 1500 Jahren zu den warp-fähigen Spezies gehörten, deren Imperium – das das spätere Borderland umfasste – aber unterging. Liyan will dieses Imperium mit deren alter aber noch immer wirkungsvoller Technologie neu errichten und scheut auch nicht davor zurück, die Föderation und die Klingonen in einen Krieg zu treiben. Denn zu Boyce Überraschung und Entsetzen steckten die Orioner hinter der Zerstörung der Starbase und sind dank der antiken, kürzlich geborgenen Technologie fähig, falsche Sensorbilder zu projizieren. Und so glaubt die Crew der Enterprise – unter dem Kommando eines interimistischen Captains, der ihr vom Sternenflottenkommando zugeteilt wurde – dass das Orioner-Schiff von Klingonen in die Flucht getrieben wurde und das ganze Außenteam dabei ums Leben kam. Alles läuft so, wie Liyan es geplant hatte … außer dass ihr das Serum ausgeht und Boyce keinen passenden Ersatz findet.

Fazit: Der Roman ist vielleicht nicht ganz so gut wie Dave Sterns Pre-Relaunch-„Enterprise“-Romane, aber immer noch sehr unterhaltsam. Sein „Neo-TOS“ ist angesichts des seit den 60ern deutlich erweiterten Canons immer noch sehr stimmungsvoll, wenngleich natürlich ein Captain Kirk und ein Doktor McCoy etwas abgehen. Aber damit muss man sich bei einem Pike-Ära-Roman abfinden. Aber zumindest Spock und auch Nummer 1 charakterisiert Stern sehr gut. Das gilt auch für den Großteil der neu eingeführten Charaktere und davon gibt es jede Menge. So wie z.B. all die Orioner. Was Stern aus diesem Volk in „The Children of Kings“ macht, stellt wirklich einen bedeutenderen Ausbau ihres Backgrounds dar. Allgemein finde ich es als sehr lobenswert, dass er sich einer bereits relativ populären Spezies annahm und nicht einfach ein „Alien-der-Woche“ erschuf.

Dave Sterns Schreibstil, einer Geschichte mit ordentlich vielen TOS-Bezügen und ein erstaunliches Finale (das aber nicht jedem gefallen dürfte, da idealistischeren Trekkies wohl die rosarote Sternenflottenbrille vom Gesicht gerissen werden könnten) relativieren einige Längen in der Mitte des Roman. Daher gibt es solide 4 von 6 Sterne für die Königskinder.

Anmerkungen:

  • Als begeisterter Photoshop-Nutzer muss ich natürlich eine Kritik am Cover anbringen. Wer das verbrochen hat, hat wahrscheinlich zuvor nicht mehr als 5 Minuten mit einem Grafik-Programm gearbeitet. Das „Platzhalter-Cover“ (siehe links) war bedeutend schöner. Es trägt übrigens noch den ursprüngliche Titel des Romans „The Thine own Self“, der wahrscheinlich geändert wurde, weil eine TNG-Folge bereits diesen Titel trug.
  • Ein Anachronismus in der Geschichte fällt auf: Die Sicherheitsleute auf der Enterprise werden ganz offen als „Red Shirts“ bezeichnet, dabei gab es diese Uniformfarbe zu Pikes Zeit noch nicht. (Allerdings könnte man argumentieren, dass man sie im Pilotfilm einfach nicht gesehen hat.)
  • Dass die Ferengi namentlich erwähnt werden, ist nicht so sehr ein Anachronismus als vielmehr etwas ungeschickt. Zwar wusste Data beim Erstauftritt der Ferengi in TNG trotz angeblich beschränkten Informationen erstaunlich viel über die Ferengi, aber dass in „The Children oft he Kings“ einer der Hauptcharaktere zwischenzeitlich Zugriff auf die Datenbank der Ferengi-Handelsbehörde erhält, ist wohl doch etwas zu viel des Guten.

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