Rezension: „Diabolus“

Grundsätzlich bin ich den Romanen von Dan Brown alles andere als abgeneigt, denn er hat einen spannenden Schreibstil und treibt den Gebrauch von „Cliffhanger“, die  den Leser dazu animieren, ständig wissen zu wollen wie die Geschichte weitergeht, auf die Spitze. Und doch stand das Taschenbuch „Diabolus“ – Browns erster Roman – einige Jahre bei mir im Regal und setzte Staub an. Doch davon habe ich das Buch nun befreit und in den vergangenen Tagen endlich diese Geschichte nachgeholt, die in die Welt der Geheimdienst-Kryptographie eintaucht.

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Zentraler Charakter dieser Geschichte ist die Kryptologin Susan Fletcher, die für den US-Geheimdienst NSA arbeitet, dessen Hauptaufgabe die weltweite Überwachung elektronischer Kommunikation ist. Susan arbeitet in der Krypto-Abteilung, deren Herzstück der geheime Supercomputer TRANSLTR ist, der fähig ist, jede existierende Verschlüsselung innerhalb von Minuten zu knacken … bis jetzt. Als Susan an einem Samstag von ihrem Vorgesetzten an ihren Arbeitsplatz gerufen wird, ist sie entsetzt darüber, dass der Supercomputer bereits Stunden vergeblich damit verbracht hat, eine verschlüsselte Datei zu knacken, die der ehemaliger NSA-Mitarbeiter Ensei Tankado ins Internet gestellt hat. Sozusagen eine Demonstration, denn Tankado, der im Streit um die lückenlose Überwachung durch den Geheimdienst aus Protest verlasen hatte, will seinen neuartigen Verschlüsselungsalgorithmus – „Diabolus“ an den höchstbietenden Konzern verkaufen, auf diesem Wege für die weltweite Verbreitung sorgen und somit den TRANSLTR schlussendlich nutzlos machen.

Natürlich ist die NSA auch selbst interessiert daran, die Verschlüsselung zu knacken – vielleicht sogar mit der Möglichkeit, sich eine Hintertür in „Diabolus“ einzurichten bevor es als „unüberwindbarer Schutz vor der NSA“ auf den Markt kommt. Doch dazu ist Zeit notwendig und genau die läuft Susan und ihrem Chef davon, denn unvorhergesehen ist Ensei Tankado in Sevilla an einem Herzinfarkt gestorben. Sein Tod – der von den spanischen Behörden auf Drängen der NSA noch nicht publik gemacht wurde – würde eine Kettenreaktion auslösen, da ein geheimnisvoller Partner von Tankado „Diabolus“ über das Internet quasi an jeden verschenken würde, sollte er von Tankados Tod erfahren. Während Susan von der NSA aus versucht, die Identität des Partners herauszufinden, hat ihr Chef derweil ihren Verlobten David nach Spanien geschickt, um im vorgeblich diplomatischen Auftrag die sterblichen Überreste Tankados in die USA zu überführen – und in dessen Habseligkeiten nach dem Zugangsschlüssel für „Diabolus“ zu durchsuchen. Rasch findet David heraus, dass Tankado mit seinem letzten Atemzug einen gravierten, goldenen Ring an einen zufällig vorbeikommenden Touristen übergab. Die Suche nach dem Ring entwickelt sich für David zu einer Odyssee quer durch Sevilla, die weitere Tote hinterlässt …

Fazit: Soweit mal, was ich mich über den Inhalt zu verraten traue. Wie auch bei allen anderen Dan Brown-Romanen ist auch in „Diabolus“ nicht immer alles so, wie es anfangs scheint. Es gibt eine Menge falscher Spuren, aber auch immer wieder mal recht eindeutige Hinweise, wohin die Geschichte sich entwickeln wird. Andere Romane von Brown – z.B. „Meteor“ – hatten auf mich größere Überraschungseffekte. Trotzdem ist auch „Diabolus“ ein spannender Roman. Dan Brown Erstlingswerk beinhaltet bereits alle Zutaten, die auch seine späteren Geschichten zu wahren „Pageturnern“ machen. Etwas übertreibt er nur mit dem Einstreuen kurzer Kapitel. Die gibt es auch in seinen anderen Romanen zwischendurch, aber gerade gegen Ende reihen sich 2 bis 3 Seiten lange Kapitel aneinander. Hat man die Absicht dahinter durchschaut, hat die versuchte Spannungssteigerung keine Wirkung mehr auf den Leser und die ständigen Seitensprünge kommen einem nur noch seltsam vor. Besonders trifft das auf zwei oder drei Kapitel zu, die sogar weniger als eine volle Seite (inklusive Kapitel-Überschrift!) zu füllen vermögen.

Dass es in Dan Browns Romanen nicht immer um den Symbologe Robert Langdon gehen muss (der erst in Browns zweitem Roman „Illuminati“ erstmals in Erscheinung trat), weiß ich bereits aus „Meteor“, der ebenfalls enorme Spannung und einer aberwitzige und wahrlich unvorhersehbare Wendung bereithält. Eine Wendung in diesem Ausmaß gab es in „Diabolus“ nicht. Keine 180-Grand-Wende, die alles Bisherige in einem neuen Licht erscheinen lässt, aber doch zumindest die eine oder andere Erkenntnis, bei der man sich denkt: „Ja, klar, das macht Sinn und fügt sich in die Story ein.“ Obwohl ein Robert Langdon fehlt, ist Susans Verlobter David ein nicht unähnlicher Charakter und wenigstens durch die Örtlichkeit Sevilla werden hin und wieder ein paar Sehenswürdigkeiten beschrieben und ihre kunsthistorischen Bedeutungen angerissen. Aber auch insgesamt gefällt mir der Part in Sevilla besser als jener in der NSA, denn Davids Schnitzeljagd nach dem Ring nimmt mitunter auch wirklich witzige Ausmaße an. Im vergleich dazu verläuft die Handlung bei der NSA – die vorrangig an zwei von einander örtlich getrennten Bereichen des Hauptquartiers stattfinden – eher statisch. Hier geht es eher darum, Zeit zu gewinnen, während es in Sevilla für David darum geht, die Zeit zu nutzen um dem Ring näher zu kommen.

Bewertung: Der Roman hat mich gut unterhalten und ist thematisch heutzutage vielleicht sogar relevanter als zu seiner Entstehungszeit 1998. Die Wahrung der Privatsphäre im Internet ist heutzutage zwar noch mehr durch private Unternehmen bedroht, aber auf den gewaltigen Abhörapparat der NSA einzugehen, war 1998 vermutlich auch schon ein Omen. Zumindest mir war die NSA und was sie macht wohl erst im Zuge der Ereignisse nach dem 11. September 2001 bekannt geworden. Die Abwägung von Sicherheit gegenüber Privatsphäre ist heute genauso ein heikles Thema wie damals. Eine klare Aussage bleibt Dan Brown am Ende schuldig, aber zumindest bringt er die Argumente beider Seiten in seinen Roman unter und zumindest ist die Situation am Ende der Geschichte eine andere als am Beginn mit einem (vermeintlichen) Sieger. Und bedenkt mann, was erst Jahre nach der ersten Veröffentlichung des Romans geschah, kann dieses Unterhaltungswerk zu einigen Was-wäre-wenn-Überlegungen anregen. Meine Bewertung: solide 4 Sterne.

4stars

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