Rezension: Comic – Ongoing #5 + #6 “Operation: Annihilate”

Die dritte Geschichte, die die Ongoing-Reihe im neuen Star Trek-Universum erzählt, ist eindeutig jene, die bislang am stärksten von der Vorlage (TOS Staffel 1-Finale „Operation — Annihilate!“ bzw. „Spock außer Kontrolle“) abweicht. Allein der Beginn hat nichts mit der ursprünglichen Folge der Classic-Serie zu tun. Eine Rückblende – in schönen Sepiafarben gehalten – beleuchtet jene Zeit kurz nachdem der junge Jim Kirk die Corvette seines Onkels in einer Schlucht versenkt hat und deshalb Stubenarrest erhält. Im Gespräch zwischen Jim und seiner Mutter Winona erfahren wir, dass Jims älterer Bruder George weggegangen ist. Und währen Winona noch die Hoffnung hat, er würde bald wieder zurückkehren, glaubt Jim nicht so recht daran.

Ausgabe #5

Ausgabe #6

Jahre später: Die Enterprise ist auf dem Weg zur Koloniewelt Deneva, um einen Fall von Massenhysterie zu untersuchen, die bereits andere Planeten zuvor heimgesucht hat. Nachdem sie zuvor den Selbstmord eines Denevianers miterlebt haben, der sein Raumschiff in die Sonne des Systems steuerte, beamen Kirk, Spock und McCoy mit einem Außenteam auf den Planeten und werden umgehend von den Bewohnern angegriffen. Nachdem die Angreifer betäubt wurden, folgt das Team einigen von Spock gemessenen Lebenszeichen hinunter in die Wartungstunnel unterhalb der Kolonie. Dort finden sie nicht nur seltsame nicht-humanoide Lebewesen vor – von denen eines Spock attackiert und sich an dessen Gesicht festsaugt – sondern auch jemanden, der bislang vom Massenwahnsinn verschont geblieben ist und dem Außenteam einen Fluchtweg offeriert, als immer mehr Besessene die Tunnel stürmen. Es ist Jims Bruder.

Gleich am Beginn des 2. Teils erfahren wir, dass Captain Kirk nicht besonders gut auf seinen Bruder zu sprechen ist. Offenbar hat er sich seit Jahren nicht mehr zu Hause blicken lassen. Selbst dann nicht, als seine Mutter im Sterben lag. George hat in dieser Zeit auf verschiedenen Schiffen angeheuert und so nebenbei auf Deneva eine Familie gegründet, zu der er nach Ausbruch der Massenhysterie jedoch den Kontakt verloren hat. Zurück auf der Enterprise drängt George darauf, wieder zurückzukehren und sie zu suchen. In der Zwischenzeit ist es McCoy gelungen, das seltsame Wesen von Spocks Gesicht zu entfernen, doch scheint etwas davon in seinem Nervensystem zurückgeblieben zu sein, das ihm große Schmerzen bereitet und versucht, Kontrolle über ihn zu erlangen. Da sich Spock dank seiner mentalen Disziplin vorübergehend dagegen wehren kann, kann er herausfinden, dass diese einzelnen Wesen wie Gehirnzellen eines größeren Organismus funktionieren, selbst wenn sie von einander getrennt sind …

Das grundlegende Problem mit den parasitären Wesen wird auf die selbe Art gelöst wie in der TOS-Folge. Aber dennoch kann dieser Zweiteiler mit einigen absoluten Highlights auftrumpfen. Die erwähnte Rückblende ist wirklich schön gezeichnet und bezieht sich inhaltlich auf eine Szene, die für den Kinofilm gedreht wurde, es aber nicht in die Endfassung geschafft hat. Kirks Beziehung zu seinem älteren Bruder ist ausgelöst durch die Ereignisse, die zur Erschaffung des neuen Universums führten, grundlegend anders. So überrascht es den Captain sogar, als er später im Haus seines Bruders ein Holo-Bild entdeckt, dass ihre Eltern zeigt. Ein ebenfalls erwähnenswertes Holo-Bild, das für nostalgische Gefühle sorgt, finden wir bereits im ersten Teil im Zimmer von Jim Kirk: Ein Bild der NX-01 Enterprise.

Ein weiteres Highlight ist auch das letzte Gespräch zwischen Spock und Uhura, das auch direkten Bezug zu den Ereignissen von Ausgabe #4 nimmt und Uhura schlussfolgern lässt, dass Spock seit der Zerstörung Vulkans auch auf sein eigenes Wohl keine große Rücksicht mehr nimmt. Das könnte in Hinblick auf den nächsten Zweiteiler noch ein sehr interessantes Thema werden, da dieser erstmals eine eigenständige Geschichte erzählen wird und auf keiner TOS-Folge basiert. Die Ausgaben #7 und #8 sollen sich direkt mit dem weiteren Schicksal der noch lebenden Vulkanier auseinandersetzen.

„Operation: Annihilate“ erhält von mir eine Bewertung von 5 Sternen. Die Problemlösung mag zwar nicht sonderlich originell sein, aber weit wichtiger als die Haupthandlung rund um den Massenwahnsinn und stärker betont empfand ich die Geschichte der beiden Kirk-Brüder und Spocks Charakterisierung.

Anmerkungen:

Die Geschichte von „‚Operation: Annihilate“ zu diesem frühen Zeitpunkt neu zu erzählen, birgt ein kleines Kontinuitätsproblem. Bekanntermaßen wurde Kirk im neuen Universum ja einige Jahre früher Captain der Enterprise und entsprechend früher (ca. 2258 im Gegensatz zu 2267 im alten Universum) wird Deneva von den Parasiten befallen. Ich denke, dieses Unstimmigkeit kann man jedoch durch geänderte Schiffsverkehrsrouten in den vergangenen 25 Jahren erklären, da die Parasiten kaum aus eigener Kraft von Planet zu Planet gereist sein können. Mit ihren Fähigkeiten sollte es kein Problem darstellen, Besatzungsmitglieder eines Schiffes dazu zu bringen, sie als Fracht zu anderen Planten zu transportieren. In Spocks Aufzählung betroffenen Planeten fehlt übrigens auch Ingraham B, der im alten Universum nur 2 Jahre vor Deneva befallen worden sein soll. Dies dürfte wohl als Hinweis zu deuten sein, dass sich Autor Mike Johnson der zeitlichen Differenz bewusst war.

Eine technische Neuerung, die mir nicht so gut gefallen hat, war der Kommunikator. Zwar werden weiterhin die üblichen Kommunikatoren an den Gürtel getragen, aber in Teil 1 verwendet Kirk sein Abzeichen dazu, einen Kanal zur Enterprise zu öffnen. Sollte diese Änderung für den nächsten Film übernommen werden, würde es mir nicht gefallen, da diese „Insignienkommunikatoren“ doch eher ein Symbol der TNG-Ära sind und nicht von TOS. (Technisch wäre es natürlich möglich, dass das Abzeichen lediglich als Zusatzgerät des eigentlichen Kommunikators dient, ähnlich einer Bluetooth-Freisprecheinrichtung für Handys.)

Das Design der von der Enterprise ausgesetzten UV-Satelliten entspricht dem Design der Satelliten, die für die Remastered-Fassung von TOS erstellt wurden. Und einige weitere optische Bezüge zur Originalserie lassen sich in der Einrichtung von Spocks Quartier finden.

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