Rezension: “Der Wolkenatlas”

Es kommt gelegentlich vor, dass ich den Trailer zu einem Kinofilm sehe und feststelle, dass es sich bei dem beworbenen Film um die Verfilmung eines Buchs handelt. Wenn das Interesse geweckt ist, neige ich dann dazu, zuerst das Buch zu lesen und erst danach den Film. Im Falle von „Der Wolkenatlas“ (bzw. „Cloud Atlas“) verhält es sich aber mal andersherum: Im Kino habe ich den Film zwar nicht gesehen, aber nach Erscheinen auf Blu-ray  fürs Heimkino erworben und fand ihn wirklich sehr gut … und beim zweiten Sehen nur ein paar Wochen später gleich noch besser! Anlass genug, um auch die von David Mitchell verfasste (und von Volker Oldenburg ins Deutsche übertragene) Vorlage zu lesen.

Vorab ein paar Informationen zum Aufbau: Das Buch erzählt 6 sehr unterschiedliche Geschichten verschiedener Genres in unterschiedlichen Zeitepochen und in unterschiedlichen Stilen. Jedoch ist „Der Wolkenatlas“ keine einfache Kurzgeschichtensammlung, manchmal mehr, manchmal weniger direkt sind die einzelnen Geschichten miteinander verknüpft. Es gibt Anspielungen auf die Geschichten die in der Vergangenheit angesiedelt sind und Anspielungen auf das, was noch kommen sollte. Zudem wird mit Ausnahme der sechsten Geschichte keine von vorne bis hinten komplett erzählt. Sie werden ungefähr jeweils in ihrer Mitte unterbrochen und das mitunter sehr abrupt, was aber dann zusammen mit den Anspielungen für einen schönen Spannungsbogen sorgt und die Unterbrechungen in den jeweiligen Stellen sogar sinnvoll erscheinen.

Für sich allein stehend sind die Geschichten unterschiedlich spannend oder interessant, aber durch diese offenen Enden mitten im Buch und das „parallele Lesen“ mehrere verschiedener Geschichten, bis dann die unterbrochenen Geschichten fortgesetzt werden, kommt man kaum in Versuchung, das Buch wieder weglegen zu wollen. Trotz der mehr als 600 Seiten liest sich „Der Wolkenatlas“ deshalb sehr flüssig und die Geschichten können sich kaum irgendwie in die Länge ziehen, haben sie doch im Durchschnitt jeweils nur jeweils ca. 100  bis 150 Seiten Zeit, um von Anfang bis Ende erzählt zu werden.

Die 6 Geschichten des Romans sind, wie erwähnt, vage miteinander verknüpft, aber gleichzeitig so unterschiedlich, dass es sich anbietet, sie einzeln zu rezensieren:

Das Pazifiktagebuch des Adam Ewing

Mitte des 19. Jahrhunderts verfasst der amerikanische Notar Adam Ewing während seiner Reise an Bord eines Segelschiffes ein Tagebuch, in dem er am Beginn seinen Aufenthalt auf den Chatham-Inseln beschreibt. Ewing freundet sich dort den Tagebucheinträgen nach folgend mit dem britischen Arzt Henry Goose an, der Ewing im Verlauf der Rückreise an Bord gegen eine Tropenkrankheit behandeln sollte. Ebenfalls bereits auf den Inseln trifft Ewing auf den Eingeborenen Autua, der dann während der Reise als blinder Passagier an Bord des Schiffes auftauchen sollte und für den sich Ewing einsetzt, damit sich dieser seine Fahrt an Bord mit Arbeit verdienen kann.

„Der Wolkenatlas“ bietet ob seiner Vielfalt an Geschichten und Stilrichtungen wohl für alle Geschmäcker etwas, aber beinhaltet im Gegenzug wohl auch für jeden zumindest eine Geschichte, die dem Leser weniger zusagt. In meinem Fall ist es Ewings Tagebuch, das einen etwas trägen Einstieg darstellt, da sich in der ersten Hälfte des Tagebuchs noch nicht so viel Spannendes ereignet, viele Personen auf den Chathams vorgestellt werden, die Ewing aber mit seiner Abreise ohnehin hinter sich lässt. Wirklich interessant wird die Geschichte erst mit Autuas Auftauchen an Bord und wenn sich Ewings Gesundheitszustand verschlechtert. Auf die Auflösung, was hinter dieser mysteriösen Tropenkrankheit steckt, muss man übrigens gar nicht bis zum zweiten Hälfte der Geschichte warten. Denn Robert Frobishers Briefe aus Zedelghem, in denen er darüber berichtet, die erste Hälfte von Ewings Tagebuch gelesen zu haben, sollten bereits ein wenig verraten, wie die Geschichte weitergeht. (Was übrigens ein Kontinuitätsfehler ist ;-))

Briefe aus Zedelghem

Im Sommer 1931 schreibt der junge Komponist Robert Frobisher eine Reihe von Briefen nach England an seinen Geliebten, Rufus Sixsmith. Frobisher arbeitet auf Schloss Zedelghem als Assistent für den alten, krankheitsgezeichneten Komponisten Vyvyan Ayrs, dessen beste Tage bereits hinter ihm liegen. Doch von der Zusammenarbeit mit Ayrs erwartet sich Frobisher Inspiration für sein eigenes Werk – und durch den heimlichen Verkauf einiger von Ayrs Büchern aus dessen gut ausgestatteter Bibliothek den einen oder anderen Nebenverdienst.

Die „Briefe aus Zedelghem“ sind schon wesentlich angenehmer zu lesen als Ewings Tagebuch. Weniger alte Bezeichnungen, die Sprache generell schon etwas moderner und der junge Frobisher kann durchaus sehr eloquent sein und seine Briefe sind sehr ausführlich formuliert und beschreiben das Leben auf dem Schloss und seine Bewohner sehr ausführlich sowie Frobishers Gedanken zu ihnen und den Beziehungen untereinander. Es sind sowohl diese Beziehungen, als auch Ayrs nichtvorhandene Scheu, das Werk seines Assistenten als seines auszugeben, die Frobisher schließlich besonders in Bedrängnis bringen sollten. Die Dramatik macht die Geschichte bis zum Ende hin interessant und Frobishers Werk, das „Wolkenatlas-Sextett“, gibt nicht nur dem Buch seinen Namen, sondern sollte noch an anderer Stelle im Buch vorkommen. Wie auch der Charakter Rufus Sixsmith und die Briefe, die er von Frobisher erhalten hat.

Halbwertszeiten – Luisa Reys erster Fall

1975 ist Rufus Sixsmith ist ein angesehener Atomwissenschaftler, der Beweise dafür hat, dass ein neuer Atomreaktor, der in Kürze ans Netz gehen soll, nicht so sicher ist wie von der Kraftwerksleitung behauptet. Das Schicksal will es, dass er während seines Dilemmas, was er mit diesen Informationen machen soll, in einem Fahrstuhl stecken bleibt mit der jungen, ehrgeizigen Journalistin Luisa Rey, die eine brisante Titelstory wittert. Ihre folgenden Recherchen machen sie aber zu einer Zielscheibe für genau jene Personen, die auch Rufus Sixsmith zum Schweigen und seinen Geheimbericht über das Kraftwerk verschwinden lassen wollen.

Wie man schon am Titel sieht, handelt es sich hierbei um einen Krimi bzw. Thriller. Also eindeutig ein fiktives Werk. Die Story selbst ist ganz okay, aber die erste Hälfte ist noch ziemlich langweilig. Aber generell für den Wolkenatlas als Gesamtes ist ein Roman als Erzählstilmittel irgendwie nicht besonders geschickt. Bei Ewings Tagebuch und Frobishers Briefen konnte man noch problemlos annehmen, dort Geschichten zu lesen, die sich wirklich zugetragen haben. „Halbwertszeiten“ zerstört die Illusion ziemlich brutal. In der folgenden Geschichte rund um den Verleger Timothy Cavendish erfährt man dann noch ein wenig mehr über den fiktiven Hintergrund des Romans und dessen Autor.

Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish

Timothy Cavendish ist ein noch sehr rüstiger Besitzer eines kleinen Londoner Buchverlags. Die Geschäfte liefen nicht besonders gut, bis zu einem riesigen Erfolg (einer seiner Autoren kommt medial ganz groß raus als er einen Kritiker publikumswirksam bei einer Preisverleihungsveranstaltung von der Terrasse wirft). Doch mit dem Erfolg kommen auch die Gläubiger hervor und als ein paar üble Schläger bei Cavendish auftauchen – die Brüder des inzwischen im Gefängnis sitzenden Autors des Erfolgsbuches – und ihren Anteil eintreiben wollen, ist Cavendish bereits wieder pleite. Er sieht nur eine Möglichkeit: Flucht! Sein Bruder vermittelt ihm ein Zimmer im Haus Aurora in Nordengland. In der irrigen Annahme, es handle sich um ein Hotel, checkt Cavendish dort ein, nur um am nächsten Morgen geschockt festzustellen, dass sein durchtriebener Bruder ihn an ein Altersheim vermittelt hat. Und da sich Cavendish entgegen seiner Annahme beim Einchecken nicht in ein Gästebuch eingetragen hat, sondern eine umfangreiche Vollmacht unterschrieb, wird das Altersheim für Cavendish zu einem Gefängnis, aus dem er so schnell wie möglich fliehen will. Leichter gesagt als getan …

„Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish“ ist  mein Lieblingsteil von „Der Wolkenatlas“. Als Erzählung aus der Ich-Perspektive beschreibt Cavendish mit sehr viel Wortwitz, wie er in diese absurd-komische Situation geraten ist und trotz der ernsten Konsequenzen, denen sich Cavendish fast durchgehend gegenübersieht, färbt die Heiterkeit seiner Erzählung unweigerlich ab. Eine höchst amüsante Komödie. Lediglich in der zweiten Hälfte fand ich es etwas störend, wenn Cavendish in den Dialog mit einem imaginären Regisseur tritt und bei der Szenenbeschreibung etwas zu genau wird. Diese Stellen passen nicht so schön zu Cavendish‘ sonst sehr heiterem Erzählstil.

Sonmis Oratio

War Timothy Cavendish Geschichte noch ungefähr zeitlich in unserer Gegenwart angesiedelt, geht es mit „Sonmis Oratio“ nun geradewegs in die Zukunft, in der Klone extra dazu gezüchtet werden, den Menschen zu dienen und die anstrengenden Arbeiten zu erledigen. Zu diesen Klonen gehört auch Sonmi~451, die in einem Fast-Food-Restaurant der Papa Song-Kette tagein tagaus 19 Stunden am Tag Gäste bedient. 12 Jahre lang dauert die Anstellung eines Klons, bis er ins „Elysium“ übertreten kann – in ein normales menschliches Leben auf dem paradiesischen Hawaii. Die Gedanken eines Klons sind einfach, werden kaum mit der Welt jenseits ihrer Arbeitsstätte konfrontiert und mittels eines flüssigen Nahrungsmittels namens „Seife“ werden sie gefügig gehalten. Auch Sonmi~451 führt ein solch reduziertes Leben, bis eine ihrer Kolleginnen im Restaurant, Yoona~939, mehr und mehr ein Verhalten zeigt, das dem eines echten Menschen entspricht. Es dauert nicht lange, bis Sonmi ihr auf dem Weg des „Aufstiegs“ folgt und nachdem dies entdeckt wird, wird sie von Wissenschaftlern heimlich aus dem Restaurant geschleust und erfährt, dass sie wie Yoona Teil eines Experiments war.

Diese Science-Fiction-Geschichte hat die Form eines Dialogs. Der Fragesteller, ein sogenannter Archivar, befragt Sonmi mehr oder weniger nach ihrer Lebensgeschichte, um diese für die Nachwelt zu erhalten. Bei der Befragung skizziert Sonmi die futuristische Zukunft und die gesellschaftliche Ordnung in dieser Zeit. Da es für sie nach ihrer Befreiung aus dem Papa Song so viel Neues zu entdecken gab, bekommt man als Leser ein sehr umfangreiches Bild einer sehr interessanten und sehr bedrückenden Zukunftsversion, die mit ihrem hohen Kommerzialisierungsgrad gar nicht so abwegig erscheint. Die sich in Sonmis Erzählung entfaltende Geschichte ist zudem spannend zu lesen und neben der Cavendish-Geschichte das zweite große Highlight in „Der Wolkenatlas“. Lediglich Sonmis Schlussfazit und Feststellung, zu war ihr „Aufstieg“ schließlich gut war, ist ziemlich bitter, wird aber mit der 6. Geschichte positiv relativiert, wenn man erfährt, dass Sonmi noch lange Zeit nach ihrem Tod verehrt wird.

Sloosha’s Crossin’ un wies weiterging

Es geht noch etwas weiter in die Zukunft. Allerdings nicht in eine futuristische Großstadtwelt, sondern in die primitive Endzeit danach. Zachry ist ein recht einfach gestrickter aber von geheimen Schuldgefühlen belasteter Ziegenhirte auf der Insel Hawaii, deren Bewohner nach dem Verlust der Technologie  in Folge eines globalen Krieges zu einem primitiven Leben zurückgekehrt sind. Während Zachrys Dorf und andere Talbewohner in Frieden leben, gibt es auf der Insel aber noch die wilden, kriegerischen, mordenden und versklavenden Kona, vor denen sich die Talbewohner stets in Acht nehmen müssen. Es gibt aber auch noch die sogenannten „Prescients“, die von einer anderen Insel auf der Erde stammen un die sich noch etwas alte Technologie erhalten haben. Sie besuchen die friedlichen Bewohner von Hawaii jährlich um sie zu studieren und mit ihnen Tauschhandel zu treiben. Zachrys Leben ändert sich abrupt, als eines Tages einer der Prescients beschließt, mehrere Monate auf Hawaii zu bleiben und sie gegen Zachrys Willen von der Dorfführung in sein Haus einquartiert wird …

Diese Geschichte ist eine Erzählung des alten Zachry viele Jahre nach seinen Erlebnissen. Die Erzählweise ist dabei mehr als nur umgangssprachlich. Worte werden in dieser zukünftigen Sprechweise verkürzt und zusammengefasst. Und da Zachry ein recht ungehobelter und gar nicht prüder Bursche ist, drückt er sich auch unverblümt und vulgär aus und vor allem wenn er die Gewalt der Kona beschreibt, ist er sehr direkt, was mich als Leser doch manchmal etwas unwohl gestimmt hat. (Und das hat was zu heißen, denn normalerweise lassen mich exzessive Gewaltbeschreibungen in schriftlicher Form relativ kalt.) Das Leben in einfachen Verhältnissen auf Hawaii ist ein radikaler Gegensatz zum hypermodernen Großstadtleben in „Sonmis Oratio“ und schließt den Kreis wieder mit den Geschichten über die Eingeborenenstämme auf den Chatham-Inseln aus dem Pazifiktagebuch des Adam Ewing. Die Talbewohner und die Kona sind im Grunde nur wieder Synonyme für das Muster, das sich durch das ganze Buch und alle 6 Geschichten zieht: Die Mächtigen dürsten nach noch mehr Macht zu Lasten der Schwächeren.

Das einzige, das sich wieder als störend erweist, ist eine Referenz zu „Halbwertszeiten“. Die im Kriminalroman erwähnte fiktive Stadt Buenas Yerbas wird von der Prescient als realer Ort bezeichnet. Irgendwie ist es schon seltsam: Da ist in einem Buch ein fiktiver Krimi enthalten, der als solcher in der Cavendish-Erzählung auch identifiziert wird. Und dennoch scheinen die anderen Geschichten durch Querverweise immer wieder mit „Halbwertszeiten“ verbunden zu sein. Das wertet die Geschichten für meinen Geschmack einfach zu stark ab. Als ob das Tagebuch, die Frobisher/Sixsmith-Briefe, Sonmis Oratio und Zachrys Erlebnisse nur festgelegte Hintergrundstory für einen schlichten (und auch nicht gerade überwältigend guten) Krimi wären. Autor David Mitchell hat sich meiner Meinung nach mit der Integration eines klar als fiktiv erkennbaren Werks in den „Wolkenatlas“ keinen Gefallen getan.

Ich weiß, die Kritik mag etwas sonderbar wirken, immerhin ist einem ja als Leser des „Wolkenatlas“ ja sowieso klar, dass er 6 fiktive Geschichten liest. Aber dass offenbar 5 dieser Geschichten wiederum aus der Perspektive der einen verbleibenden Geschichte („Cavendish“) ebenfalls nur fiktiv erscheint, wertet die Bedeutsamkeit dieser 5 Geschichten für mich irgendwie ab, zumal Cavendish selbst ja nur mit dem Krimi „Halbwertszeiten“ konfrontiert wird. Der Lichtblick: Die Cavendish-Story ist aber ohnehin so oder so für mich eindeutig die beste der sechs Geschichten!

Gesamtbewertung: Ich habe zwar fast einen Monat gebraucht, um dieses umfangreiche Buch zu lesen, insgesamt kann ich aber sagen, dass es sich gelohnt hat.  Es ist außergewöhnlich strukturiert und es ist auch ganz interessant zu beobachten, wie sich der eigene Leserhythmus bei den einzelnen Teilen verändert. Man wird mit so vielen Genres und Erzählstilen konfrontiert, dass sicher für jeden etwas Interessantes dabei ist, aber wahrscheinlich wird es auch deshalb schwer, den Leser zu 100 % zu überzeugen. Ich persönlich gebe dem Roman solide 4 von 6 Sternen!

4stars

Das Gesamtkonzept gefällt mir, die Geschichten über Cavendish, Sonmi und Zachry im Speziellen, wohingegen das Pazifiktagebuch und Luisa Reys erster Fall nicht ganz meins waren.  Aber jeder Leser wird die Stärken und Schwächen des Romans entsprechend seinen eigenen Vorlieben sicher komplett anders bewerten. Mit dieser Einschränkung kann ich „Der Wolkenatlas“ auf jeden Fall weiterempfehlen. Auch Leuten, die die Verfilmung „Cloud Atlas“ bereits gesehen haben, denn die Geschichten weichen durchaus markant von jenen im Roman ab.

CloudAtlas-PosterReview zum Film „Cloud Atlas“

Die Rezension zum Roman ist ja ziemlich lang geworden. Daher will ich mich beim folgenden Review deutlich kürzer fassen. Vorweg: Die Verfilmung kann ich deutlich uneingeschränkter weiterempfehlen als den Roman. Die sechs Geschichten, die darin erzählt werden, entsprechen in den Grundzügen durchaus jenen des Romans, aber es gibt auch fast in jeder Geschichte sehr deutliche Abweichungen, die aber durchaus dem Erzählfluss zu Gute kommen.

Der Film ist zwar fast drei Stunden lang, aber das sollte niemanden abschrecken, denn immerhin bleiben für jede der 6 Geschichten nicht einmal 30 Minuten Zeit, um erzählt zu werden. Langweilig wird einem wirklich nicht und wenn, dann nur in den ersten vielleicht 20 Minuten. Denn der Film zelebriert das Konzept der Geschichten übergreifenden Handlungen eigentlich noch stärker als der Roman und wechselt wild zwischen den einzelnen Geschichten hin und her. Das mag am Anfang etwas verwirren, aber sehr schnell werden die Übergänge zwischen den Szenenwechseln immer besser und sinnvoller. Einziger Nachteil bei dieser Erzählweise ist, dass man am Beginn des Films mit 6 Einleitungen konfrontiert wird. Wenn man in dem Film etwas Langatmigkeit findet, dann dort.

Optisch ist der Film natürlich beeindruckend und man kann sich nur staunend fragen, wie viel Geld er gekostet hat. 30 Minuten pro Geschichte hin oder her, musste dennoch grundlegend für jeden Teil ein Aufwand betrieben werden wie für einen ganzen Zweistundenfilm allein. Bei einem Film, der 6 Epochen und Geschichten verschiedener Genres abdeckt, steckte sicher ein immenser Arbeits- und Kreativaufwand dahinter. Viel Arbeit hatten auch die Maskenbildner. Zwar spielt in den 6 Geschichten jeweils der gleiche Schauspielerstamm die wichtigsten Rollen (Tom Hanks, Halle Berry, Hugo Weaving, Hugh Grant, Susan Sarandon, uvm.), aber stellen sehr unterschiedliche Rollen dar, ungeachtet der Unterschiede in Alter, Ethnizität oder Geschlecht! Das macht es auch ganz interessant, darüber zu rätseln, welcher Darsteller in welcher Geschichte welche Rolle spielt. Das herauszufinden ist nicht immer so leicht.

Bewertung: Ein Film für Leute, die Filme mögen. Das klingt nach einem etwas sehr allgemeinen Fazit, aber wie schon der Roman hat auch der Film wohl für jeden zumindest den einen oder anderen interessanten Aspekt zu bieten und wenn er sich auch nur auf den „Filmzauber“ reduziert, den „Cloud Atlas“ versprüht. Der Film ist sechsmal Kinoerlebnis in einer ungewöhnlichen Form präsentiert. Diese Form der abwechselnden Erzählungen mag vielleicht auch nicht jedermanns Sache sein, aber sie sorgt für einen sehr guten Erzählfluss und hohes Erzähltempo, wofür auch die Abweichungen zum Roman durchaus sorgen, denn die Geschichten sind im Film zwangsläufig kompakter erzählt. So ist „Cloud Atlas“ zwar inhaltlich keine der werktreuesten Romanverfilmungen, aber das allgemeine Konzept der Verbindungen und des abwechselnden Erzählens wurde annähernd perfekt auf das Medium Film übertragen.

Ich gebe dem Film starke 5 von 6 Filmrollen. Die Höchstnote verhindert nur, dass mir wie beim Roman auch nicht alle Geschichten gleich gut gefallen haben. Cavendish, Sonmis Oratio, Zachrys Abenteuer und die Frobisher-Briefe (die im Film aber nicht aus Zedelghem kommen) haben mir sehr gut gefallen, während das Pazifiktagebuch und Luisa Reys erster Fall mir abermals nicht so sehr zusagten. Zumindest vermeidet die Geschichte rund um Luisa Rey im Film den Fehler, sich als fiktives Werk im Bezug zu den anderen Geschichten herauszunehmen.

5rolls

Hier der fast 6 Minuten lange Trailer zu „Cloud Atlas“:

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