Rezension: TNG – “The Buried Age”

Im Jahr 2003 bis einschließlich Anfang 2004 erschienen beim amerikanischen Verlag „Pocket Books“ einst 6 Star Trek-Romane innerhalb einer neuen Reihe, die den Titel „The Lost Era“ trug. In dieser Reihe sollten Geschichten erzählt werden, die im Zeitraum zwischen dem Ende der TOS-Ära (also nach dem 6. Kinofilm bzw. dem Prolog des 7. Films) und dem Beginn von „The Next Generation“ angesiedelt sind. Die Reihe selbst wurde nach dem 6. Buch zwar eingestellt, aber Romane dieser Art sind auch weiterhin innerhalb anderer Romanreihen erschienen. So wie „The Buried Age“ innerhalb der „The Next Generation“-Reihe im Jahr 2007 erschien und nur klein auf dem Cover der Zusatz „A Tale of the Lost Era“ vermerkt ist.

„The Buried Age“ wirft Licht auf einen mehrjährigen Lebensabschnitt von Captain Jean-Luc Picard. Aus der TV-Serie wissen wir, dass er vor der Enterprise-D das Raumschiff Stargazer befehligte, aber zwischen dem Ende des einen Kommandos und dem Beginn des nächsten lagen fast 10 Jahre. Was Jean-Luc Picard in diesem Zeitraum erlebt hat, erzählt Autor Christopher L. Bennett in diesem Roman und greift dabei so ziemlich jeden Informationsschnipsel aus der Serie auf. Jede Information integriert er in ein großes Abenteuer, in dessen Verlauf Captain Picard vielen späteren Weggefährten erstmals begegnen sollte.

BuriedAge

Am Beginn wird der Leser Zeuge des letzten Kampfes der U.S.S. Stargazer. Die Crew (in ihrer Zusammenstellung bekannt aus Michael Jan Friedmans Stargazer-Reihe) kämpft einen aussichtslosen Kampf gegen ein nicht identifiziertes Raumschiff, das die Stargazer ohne Vorwarnung aus einem Hinterhalt heraus angreift. Nur eine Verzweiflungstat – die später als „Picard-Manöver“ Bekanntheit erlangen sollte – bewahrt die Stargazer vor der sofortigen Vernichtung. Doch trotz des Triumphes muss Captain Picard sein schwer beschädigtes Schiff aufgeben, das sich im Sinkflug im Orbit eines Gasriesen der baldigen Zerstörung nähert. In Shuttles und Rettungskapseln verbringt die Crew viele Tage, bis sie schließlich von einem Föderationsschiff aufgenommen und zur nächsten Sternenbasis gebracht wird. Dort muss sich Captain Picard einer Untersuchung und einem Gerichtsverfahren stellen, bei dem ausgerechnet seine Geliebte – die gleichzeitig JAG-Offizierin auf der Sternenbasis ist – den Befehl erhält als unterstützende Anklägerin zu dienen. Unnötig zu erwähnen, dass diese Gerichtsverhandlung zu einem tiefen Bruch zwischen den beiden führt. Und wenngleich die aufbrausende Co-Anklägerin es bei ihrer Befragung übertreibt und Picard von jeder Verantwortung für den Verlust der Stargazer freigesprochen wird, verlässt Picard den Gerichtssaal doch tief erschüttert. Das Gericht mag ihn freigesprochen haben, aber er selbst hinterfragt seine Eignung zum Schiffskapitän und beschließt, eine unbefristete Auszeit von der Sternenflotte zu nehmen.

Der nächste Lebensabschnitt zeigt Picard als Studenten der Archäologie und Dozenten an der Universität von Alpha Centauri. Er ist ganz zufrieden mit seiner neuen Arbeit und beginnt das Hin- und Herfliegen in einem Raumschiff von einem kurzfristigen Auftrag zum nächsten bereits als schlechte Erinnerung abzulegen, als eines Tages eine alte Freundin – die El-Aurianerin namens Guinan – an einer seiner Vorlesungen teilnimmt. Zufällig an einer, in der er über ein großes, galaxieweites Massensterben lehrt, das vor ungefähr 250 Millionen Jahren stattgefunden haben müsste und dessen Ursache unbekannt ist. Nach dem Vortrag unterhalten sich Picard und Guinan (sie begegneten sich als Picard noch Captain der Stargazer war) über dieses Thema und sie berichtet ihm, dass sie von Artefakten aus der Zeit des Massensterbens gehört habe. Objekte, die von einer Art undurchdringlichem Stasisfeld umgeben sind, die Gegenstände und vielleicht sogar Personen aus dieser Ära seit 250 Millionen Jahren konserviert haben und Aufschluss über die Vorgänge in der Galaxie zum Zeitpunkt des Massensterbens geben könnten.

Von dieser Vorstellung begeistert organisiert Picard eine langfristige Forschungsmission. An Bord eines zivilen Schiffes und mit einer Crew bestehend aus Kollegen von der Universität bricht er zu einem monatelangen Flug in ein kaum erforschtes Gebiet der Milchstraße auf. Unverhofft ist aus dem Archäologen Picard nun doch wieder ein Raumfahrer geworden, wenngleich er sich wann immer es geht sträubt, die Sternenflotte um Hilfe zu erbeten. Ein Vorsatz, den er aber brechen muss, als sein Expeditionsteam tatsächlich das erste Stasisfeld findet. Mit Hilfe der Crew eines in der Nähe befindlichen Tiefenraumforschungsschiffs und deren Erster Offizierin – eine gewisse Lieutenant Kathryn Janeway – gelingt zumindest ein Teilerfolg: die Befreiung einer einzelnen Person – schwer verletzt aber am Leben und mit unglaublichen Regenerationskräften ausgestattet – aus der Stasis. Zu diesem Zeitpunkt ahnt Picard noch nicht, wie sehr diese Frau aus einer anderen Epoche seine Handlungen in den kommenden Jahren bestimmen sollte. Zum Guten wie hin zum Schlechten …

Fazit: Wer meinen eigenen Roman „A Decade of Storm“ (der ebenfalls als „Lost Era“-Geschichte bezeichnet werden kann) gelesen hat oder allgemein meinem Blog folgt, der weiß, dass ich eine besondere Vorliebe für Geschichten rund um antike Mysterien im Star Trek-Universum habe. Und tatsächlich war ich beim Lesen von „The Buried Age“ enorm überrascht, wie viele Elemente meines eigenen Romans auch hier vorkommen. Die Zusammenhänge sind natürlich anders und im Grunde bestehen die Ähnlichkeiten nur in der Idee und nicht in der Umsetzung. Trotzdem sehr interessant zu sehen, wie zwei Autoren unabhängig voneinander auf ähnliche Ideen kommen. Wenngleich Bennett eine Info außen vor gelassen hat: Das Massensterben in der Galaxie, in dem es in „The Buried Age“ geht, liegt bei ihm 250 Millionen Jahre zurück. Und tatsächlich – wenn man auf Memory Alpha recherchiert – gibt es in der fernen Vergangenheit des Star Trek-Universums hier eine große Lücke.

Außer Acht gelassen hat Bennett allerdings das im Star Trek-Universum bereits genannte Massensterben vor einer Milliarde Jahren. Das mag daran liegen, dass die Information aus der Folge „Das Geheimnis der Stasis-Box“ aus der Star Trek-Zeichentrickserie stammt. Bennett blendet die Zeichentrickserie (die unberechtigterweise oft als nicht zum Star Trek-Canon gehörend bezeichnet wird) nicht komplett aus, aber wahrscheinlich geht er nicht darauf ein, da es sich bei dieser Folge um eine Adaption von Larry Nivens „Known Space“-Romanen handelt. Da die Adaption aber von Niven selbst stammt und auch in der leider nie produzierten 5. „Enterprise“-Staffel die von Niven erschaffenen Kzinti in Anspielung auf die Zeichentrickfolge wieder aufgetaucht wären, gibt es hier aber wahrscheinlich keine rechtlichen Probleme, Elemente aus „Das Geheimnis der Stasis-Box“ auch im Rahmen von Star Trek-Veröffentlichungen wieder aufzunehmen.

Genug abgeschweift zum Weg, der nicht genommen wurde. Kommen wir wieder zurück zu dem, was Christopher L. Bennett wirklich abgeliefert hat: nämlich eine wirklich große Story, die einerseits ein klassisches Weltraumabenteuer ist, anderseits charakterlich stark auf Picard eingeht und ihn durch ein wahres Wechselbad der Gefühle und persönlicher Einstellungen treibt. Picard hatte in der Serie und den Filmen auch seine verwundbaren und emotionalen Momente, weitgehend ist er aber als sehr disziplinierter, besonnener und zurückhaltend agierender Anführer in Erinnerung geblieben. „The Buried Age“ stellt die Entwicklung zwischen dem Trauma, das den Verlust der Stargazer ausgelöst hat, bis hin zu seinem ersten Betreten der Enterprise-D sehr gut dar. Man kann sehr gut mit Picards mitfühlen und obwohl sein Verhalten manchmal etwas ungewöhnlich erscheint, kann man sich doch immer ableiten, warum der Picard in diesem Jahrzehnt – angesichts der Verluste und bitterer Erfahrungen – so handelt wie er es tut.

Andere Charaktere sind nur Nebendarsteller im Roman, aber Bennett nutzt den langen Zeitraum der Erzählung, um immer wieder Charaktere Picards Weg kreuzen zu lassen, die man später in der Serie wiedersieht. Vor allem Lieutenant Commander Data ist für einige Zeit Wissenschaftsoffizier unter Picards Kommando während einer Geheimmission. Hier erklärt Bennett auch, warum Data – der ja die Sternenflottenakademie absolviert hat und viele Jahre Dienstzeit schon hinter sich gebracht hat – am Beginn von TNG immer noch ziemlich ahnungslos ist, wenn es um menschliches Verhalten geht. Eine gute Erklärung und der naive und offen neugierige Androide der 1. TNG-Staffel ist hier ebenfalls sehr gut getroffen. Weiters eine größere Rolle spielt Counselor Deanna Troi, während die meisten anderen TNG-Hauptcharaktere nur kurz vorkommen oder nur erwähnt werden. Jedenfalls hat man am Ende des Romans wirklich die ideale Erklärung, wie die Offiziere am Beginn des TNG-Pilotfilms an Bord der Enterprise kamen bzw. über welche Wege sie nach Farpoint Station gelangten um dort auf die Enterprise zu warten. Auch Charaktere, die in TNG nur in ein oder zwei Folgen auftraten – die Admiräle Quinn und Hanson oder JAG-Offizierin Phillipa Louvois –, spielen kleinere und größere Rollen auf Picards Weg in diesen neun Jahren.

Mit der Rolle eines aus der Serie bekannten Charakters habe ich aber ein Problem: Guinan. Die mysteriöse Frau hinter der Theke der Bar „10Vorne“ an Bord der Enterprise-D hat im Laufe von „The Next Generation“ zumindest zwei sehr widersprüchliche Aussage zu ihrer Bekanntschaft mit Picard gegeben. Einerseits sagte sie in der ersten Folge, in der sie auftrat, (Staffel 2, „Das Kind“) sie habe Captain Picard erst an Bord der Enterprise getroffen, während andere Folgen implizieren, dass Guinan ihn schon viel länger kennt. Die Auflösung bringt der Auftakt zur 6. TNG-Staffel: In der Folge „Gefahr aus dem 19. Jahrhundert“ wurde dieser scheinbare Widerspruch elegant gelöst, indem die langlebige Guinan bereits im 19. Jahrhundert dem zeitreisenden Jean-Luc Picard begegnete. Insofern sah ich es immer so, dass Guinan offiziell Picard wirklich erst irgendwann zwischen 1. und 2. TNG-Staffel begegnete, da die Zeitreise damals für Picard noch gar nicht stattgefunden hatte.

Christopher L. Bennett stellt es hingegen so dar, dass Guinan und Picard sich bereits während seiner Zeit auf der Stargazer begegneten. Bennett berücksichtigt dabei die Geschehnisse eines Stargazer-Romans von Michael Jan Friedman. Das mag gut gemeint gewesen sein, es stellt Guinan in der Folge „Das Kind“ aber als Lügnerin dar. Sie hat keinen Grund zu behaupten, Picard erst bei ihrem Eintreffen auf der Enterprise kennengelernt zu haben. Es gibt zwar eine vage Andeutung, die das erklären könnte (allerdings ist sie so vage dass ich mich nicht einmal traue zu sagen, dass Bennett sie absichtlich eingestreut hat), aber überzeugend ist sie nicht. Jedenfalls zerstört diese frühere Begegnung von Picard und Guinan das schöne Guinan-Mysterium, das innerhalb von TNG erzeugt und am Beginn der 6. Staffel sehr gut aufgelöst wurde. Wirklich schade drum, vor allem da Guinans starke Involvierung in „The Buried Age“ eigentlich nicht wirklich notwendig ist. Sicher: Durch ihre Vorkenntnisse über Picards noch stattfindende Zeitreise hat sie die Motivation, Picards Leben wieder in eine Richtung zu lenken, die es ihm ermöglicht, wieder Raumschiffkapitän zu werden. Aber wirklich relevant für die Geschichte ist ihre Anwesenheit genau betrachtet nicht.

Die Abenteuer-Story rund um die archäologischen Expeditionen ist für sich genommen schon sehr interessant genug. Strotz vor guten Ideen und Offenbarungen. Allerdings – und das ist schon Meckern auf hohem Niveau – wäre auch hier noch etwas mehr drinnen gewesen. Da die Expeditionen selbst über sehr lange Zeiträume gehen, sind die Intervalle zwischen den Entdeckungen recht groß. Bennett vergisst neben den „fremden neuen Welten“, die die Forscher besuchen, jedenfalls nicht „neuen Zivilisationen“, aber anderseits war es vielleicht nicht die beste Entscheidung, gleich die erste neue Zivilisation als eine darzustellen, die mit unnötiger Bürokratie die Expedition weiter unnötig in die Länge zieht. Was ebenfalls Tempo rausnimmt – aber ganz typisch für Christopher L. Bennett ist – sind die recht ausführlichen wissenschaftlichen Erklärungen. Es sind keine seitenlangen Vorträge, aber für meinen Geschmack geht Bennett häufig etwas tiefer auf etwas ein, was besser oberflächlich und für die Allgemeinheit leichter verständlich präsentiert worden wäre. Es ist jetzt nicht so schlimm, wenn er kurz abschweift. Aber speziell in der ersten Hälfte des Romans hatte ich ein- oder zweimal das Gefühl, dass ich gerade mehr erfahren habe als ich wissen wollte.

Bewertung: „The Buried Age“ ist ein toller „Lost Era“-Roman, der einerseits einen der Hauptcharaktere der Serie sehr gut charakterisiert, anderseits auch eine interessante Abenteuer-Story erzählt. Manchmal wäre etwas mehr Tempo sicher hilfreich gewesen und zumindest ein TNG-Charakter zu viel ist für meinen Geschmack in die Geschichte eingebaut worden. Aber unterm Strich ist „The Buried Age“ ein toller Prolog zu TNG. Wer plant, die Serie wieder mal von Beginn an zu sehen, sollte vielleicht überlegen, ob er nicht vorab noch diesen Roman lesen sollte. Der Roman hat mir richtig Lust darauf gemacht, mir zumindest den TNG-Pilotfilm (dank dem ich vor etwas über 20 Jahren übrigens zum „Trekkie“ geworden bin) wieder anzusehen.

Der Roman ist nicht ganz perfekt, aber sehr unterhaltsam und typisch für Bennett sehr gut geschrieben. Daher vergebe ich 5 von 6 Sternen.

5stars

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