Rezension: DSC – “The Way to the Stars“

Der vierte Roman zur Star Trek-Serie „Discovery“ ist eine interessante Abwechslung vom üblichen Abenteuer-Genre. Stattdessen erzählt er die Geschichte der jugendlichen Sylvia Tilly.

waytothestars_cover_tilly

Nur die Rahmenhandlung in Prolog und Epilog ist zeitlich während der eigentlichen Serie angesiedelt. Am Abend bevor für Ensign Sylvia Tilly das Kommandotrainingsprogramm beginnt (zu dem sie am Ende der 1. Staffel zugelassen wurde), leidet sie an Schlaflosigkeit und erzählt ihrer Zimmergenossin Michael Burnham, wie sie eigentlich zur Sternenflotte kam.

Der Rückblick beginnt an Sylvias 16. Geburtstag und beschreibt den darauf folgenden Zeitraum von einem Jahr. Von Beginn an wird deutlich, wie belastend die besondere Familiensituation für Sylvia ist. Als Kind einer hochrangigen Föderationsdiplomatin (Siophan) und eines auf Tiefenraum-Forschungsmission befindlichen und die meiste Zeit daher abwesenden Wissenschaftlers (Iain) der Sternenflotte, lebt Sylvia auf der Erde, nahe ihrer Mutter, die ihr Leben für sie bestimmt – auch wenn sie bedingt durch ihre Arbeit wenig Zeit für ihre Tochter hat. Und genau ein solches Leben schwebt Siobhan auch für ihre Tochter vor und so wird Sylvia nach Talaris IV geschickt, um dort eine diplomatische Schule zu besuchen. Die 16jährige ist zwar mehr an Wissenschaft interessiert, fügt sich aber der Entscheidung ihrer Mutter und weil sie wirklich brillant ist – wenn auch in sozialer Hinsicht nicht immer sattelfest agiert – kommt Sylvia anfänglich sehr gut an der Schule zurecht. Doch „sehr gut“ ist nicht „perfekt“ und eine solche Perfektion erwartet Siobhan von ihrer Tochter, was Sylvia noch stärker unter Druck setzt und schließlich in weiterer Folge zu einem ersten Rückschlag führt … und zu einigen weiteren. Als Sylvia schließlich einsieht, dass sie nie den Erwartungen ihrer Mutter entsprechen wird, entscheidet sie erstmals selbst über ihren Lebensweg. Und dieser führt zu den Sternen …

Fazit: Nein, nein, so schnell entscheidet sich Sylvia nicht für die Sternenflotte. Ihr erster Ausflug ins Unbekannte findet an Bord eines runtergekommenen Passagierschiffs, statt, auf dem ihr ihr Gepäck, ihr Geld und ihr Ausweis gestohlen werden und auf dem sie fortan als blinder Passagier an Bord bleibt. Ihre Flucht vor den in sie gesetzten Erwartungen verläuft ganz schön holprig und ist daher auch amüsant zu lesen. Und doch – trotz all der Unwegsamkeiten – läuft es für sie auf der Flucht viel besser als auf der Schule.

Autorin Una McCormack hat einen ungewöhnlichen Star Trek-Roman geschrieben, der zwar die meiste Zeit an einer biederen Internatsschule spielt, aber dennoch sehr fokussiert auf Sylvia Tilly ist. Ich persönlich finde, dass McCormack wirklich eine hervorragende Geschichte geschrieben hat und wer mit der Serie vertraut ist, wird Tilly hier im Roman sofort wiedererkennen und feststellen, woher manche ihrer Eigenarten kommen.

Etwas zu bemüht ist McCormack, wenn sie versucht, Tilly in Schwierigkeiten hineinzuschreiben. Ein komplizierter Balanceakt, zugegeben. Denn einerseits soll Tilly mit dem Unbekanntem und brenzligen Situationen konfrontiert werden, vor denen sie bisher behütet worden war. Andererseits soll sie auch wieder gut daraus aussteigen und dabei mehr Freude haben, als es ihr die Diplomatenkarriere beschert hätte. Tatsächlich empfand ich eigentlich beide Situationen, in denen Erwachsene auf Tilly mächtig sauer sind, etwas übertrieben. Wirklich etwas angestellt hat sie nämlich in beiden Fällen nicht, stattdessen eigentlich sehr viel richtig gemacht. Vielleicht wollte die Autorin verhindern, Tilly zu genial für eine technisch und wissenschaftlich interessierte 16jährige darzustellen, damit sie nicht zu einem „Mary Sue“-Charakter wird, dem auf Anhieb alles gelingt. Aber ich denke, ihre kleinen persönlichen Fehler und sozialen Defizite (die sie in meinen Augen erst recht zu einem sehr sympathischen Charakter machen), sorgen hier bereits für einen ausreichenden Ausgleich zu ihrer Intelligenz, so dass Tilly nie überheblich rüberkommt.

In Wahrheit kann sie einem ja wirklich leid tun, da ihr Leben zu einem übermäßig großen Teil von ihrer (etwas überzeichnet auf ihre Karriere orientiert dargestellte) Mutter fremdbestimmt wird und lieber ihr eigenes Unglück in Kauf nimmt, als Siobhan zu widersprechen. Wohl eine verständliche Einstellung für einen Teenager, der an der Schwelle steht, selbst Entscheidungen über den eigenen Bildungsweg und die eigene Zukunft zu fällen.

tillys

Auch in der ersten „Short Trek“-Episode „Runaway“ (zu sehen auf Netflix im Trailer-Bereich von „Star Trek Discovery“) spielt das schwierige Verhältnis von Tilly zur ihrer Mutter eine Rolle.

Bewertung: Eine schöne Geschichte, ganz ohne interstellare Intrigen, Raumschiffgefechte und fremde Welten … und doch eindeutig mit „Star Trek Discovery“ verknüpft, weil Una McCormack den Charakter Sylvia Tilly so gut getroffen und eine nachvollziehbare Vorgeschichte für sie entwickelt hat. Wie Tillys Werdegang verläuft, ist natürlich dem Kenner der Serie klar – sogar der Titel des Romans nimmt es schon vorweg. Das macht die Geschichte aber nicht weniger sympathisch, wenn auch nicht übermäßig spannend. Trotzdem gibt es interessante Umgebungen, Nebencharaktere und Herausforderungen, weshalb ich trotzdem 5 von 6 Sterne vergebe.

5stars

Hinterlasse einen Kommentar