Rezension: ETP – „Rise of the Federation: A Choice of Futures“

Es ist eine freudige Überraschung, dass die Serie „Enterprise“ in Romanform doch noch gewissermaßen weitergeführt wird. Nachdem Andy Mangels und vor allem Michael A. Martin mit ihren Relaunch-Romanen die Reihe ordentlich in den Sand gesetzt haben (trauriger Höhepunkt war das „Romulan War“-Finale „To Brave the Storm“) und im lustlos erscheinenden Schnellverfahren die Serie bis zur Außerdienststellung der Enterprise und der Föderationsgründung vorangetrieben hatten, war die Aussicht auf weitere Romane ziemlich trüb. Doch glücklicherweise durfte sich nun doch noch Autor Christopher L. Bennett den Abenteuern des 22. Jahrhunderts annehmen und mit „A Choice of Futures“ lieferte er einen wirklich hervorragenden Roman ab, der jeden Relaunch-Roman des Duos Mangels/Martin locker übertrumpft!

 A Choice of Futures

Natürlich ganz außer Acht lassen konnte Bennett die bescheidene Vorarbeit der Relaunch-Reihe natürlich nicht. Es ist zwar für „A Choice of Futures“ nicht notwendig, die vorangegangenen Relaunch-Romane gelesen zu haben, aber auf ein paar Gegebenheiten aus den vorangegangenen Enterprise-Romanen ist Bennett dennoch eingegangen. Am wichtigsten sei hierbei die Inkludierung von Trip Tucker zu nennen, der im Gegensatz zur Darstellung im Finale der TV-Serie von Mangels/Martin bereits über ein halbes Jahrzehnt früher in den Scheintod geschickt wurde. An Trip Tucker lässt sich definitiv der größte Kritikpunkt der früheren Relaunch-Romane festmachen: Es hatte nie Sinn gemacht, warum die Autoren die Kontinuität für ihre Geschichte so radikal über den Haufen geworfen haben und warum Trip Tucker nicht nach Ende des romulanischen Krieges offiziell in die Welt der Lebenden zurückkehrte. „A Choice of Futures“ geht nochmals auf diese offen gebliebene Frage ein und liefert zumindest eine Antwort. Auch wenn diese nicht gerade zufriedenstellend klingt. Aber wenn schon Michael A. Martin und Andy Mangels, die Trips Scheintod im Roman „The Good that Men do“ initiiert hatten, schon keine gute Antwort liefern konnten, dann ist Bennetts nachgeschobene Erklärung besser als gar nichts.

Jetzt aber genug mit der Negativität und dem Eintreten auf die beiden früheren ETP-Autoren. Denn der Großteil der Geschichte von „A Choice of Futures“ ist völlig unabhängig von den Vorgängerromanen, wenngleich Bennett natürlich die Ausgangssituation nach „To Brave the Storm“ berücksichtigen musste. Das hätte eventuell schwierig werden können, denn wie funktioniert ein Enterprise-Roman ohne Enterprise, die nach dem Romulanischen Krieg bekanntlich außer Dienst gestellt worden ist? Dank dem Einstieg in die Geschichte geht das sogar erstaunlich gut. Denn obwohl die Story auf dem Raumschiff Endeavour abspielt, ist am Beginn des Romans die komplette Crew der Enterprise dort versammelt (ausgenommen Trip Tucker). T’Pol ist zwar die Kommandantin, aber da es sich bei der Endeavour um das Flaggschiff von Admiral Archer handelt, ist auch er bei dieser Mission anwesend, bei der aufgedeckt wird, dass offenbar eine kriminelle Organisation der Malurianer (siehe ETP-Episode „Die Saat“) Zwietracht in der Region rund um Tandara säen will. Die Machenschaften der Malurianer können nach einem Angriff auf eine tandaranische Kolonie zwar aufgedeckt werden, bei der Mission offenbaren sich aber den tandaranischen Beobachter an Bord der Endeavour noch so manche Schwierigkeit bei der Integration von Föderationstechnologie in einstmals irdische Raumschiffe.

Diese Schwierigkeiten sind nur ein Symptom dafür, dass in der vor rund einem Jahr gegründeten Vereinigten Föderation der Planeten noch nicht alles glatt läuft. Es gibt etablierte Strukturen, klar verteilte Zuständigkeiten und eine gemeinsame Sternenflotte einschließlich einheitlicher Uniformen. Aber doch gibt es immer noch politische Reibungspunkte, da die Föderation noch immer nicht genau definiert hat, wofür sie steht. Ist sie mehr als nur ein Kriegspakt? Wird sie als vorrangig militärisches Bündnis wahrgenommen und ist aggressiveres Anwerben weiterer Mitglieder nicht eher kontraproduktiv und sollte man nicht lieber eine kleinere Gemeinschaft bleiben? Alles Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt.

Zumindest scheint Ende 2162 der militärische Arm der Sternenflotte gefragt zu sein. Denn nach Vergleich von Berichten mehrerer Völker fällt auf, dass mehrere Schiffe in einem Sektor verloren gingen und es sich bei den Verantwortlichen dafür um die „Lautlosen“ handelt, die elf Jahre zuvor die Enterprise unter Archers Kommando schon in Bedrängnis gebracht hatten (siehe ETP-Episode „Lautloser Feind“). Vor allem angetrieben durch einen tellaritischen Minister und durch die Andorianer – als Zuständige für die Verteidigung der Föderation – entsendet die Föderation eine große Anzahl von Schiffen in den betroffenen Sektor, um weiteren Angriffen vorzubeugen. Doch auch hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Meinungen in der Föderation sind: Die einen drängen darauf, diplomatische Beziehungen mit den „Lautlosen“ herzustellen, die anderen wollen deren Heimatwelt aufspüren und eine militärische Kampagne gegen dieses fremdartige Volk starten. Viele Konflikte also, die die frühen Jahre der Föderation prägen und wie sich herausstellt, sind nicht alle hausgemacht, sondern gezielt von einer externen Schattenmacht  heraufbeschworen worden …

Fazit: Die Geschichte rund um das Aufspüren der „Lautlosen“ ist die zentrale Handlung des Romans und wirklich hervorragend gelungen. Ein Großteil der früheren Enterprise-Crew dient noch zusammen auf der Endeavour und somit trägt „A Choice of Futures“ durchaus berechtigt den Reihentitel „Enterprise“ auf dem Cover. Die Charaktere sind sehr gut getroffen. Man erkennt sie sehr gut wieder und hat dennoch das Gefühl, dass sie sich in Anbetracht der Zeit, die seit dem Ende der Ereignisse aus der TV-Serie vergangen ist, entwickelt haben. Auch Admiral Archer – selbst wenn er nur am Beginn des Romans an Bord eines Raumschiffs ist – spielt eine zentrale Rolle und verbindet in seiner Position als Admiral die Belange der Sternenflotte und der Föderation, was auch ausreichend aber glücklicherweise nicht ausufernd trockenen Einblick in die Politik der frühen Föderation gibt. Die Rückgriffe auf Charaktere aus gleich mehreren Enterprise-Episoden wird Fans der Serie sicher sehr freuen und sie sind auch sehr gut in die Handlung integriert  und wirken nicht gezwungen– wie übrigens alle Anspielungen, die Bennett einstreut und davon gibt es wie bei seinen Romanen gewohnt sehr viele. Allen voran die „Lautlosen“, die in der ersten Staffel ein sehr geheimnisvoller Gegner für die Enterprise-Crew waren und über deren Motivationen man in „A Choice of Futures“ schließlich sehr Interessantes erfährt.

(Leider nicht berücksichtigt wurde ein eventuell weiteres Auftauchen der „Lautlosen“ in der 3. Staffel der Serie in der Episode „E²“. Zwar sieht man die Kovalaner, die in dieser Episode die Enterprise angreifen, nicht persönlich, aber sie fliegen die gleichen Schiffe wie die „Lautlosen“. 😉 Aber ich kann verstehen, dass Bennett darauf nicht eingegangen ist, handelte es sich in der Serie wohl nur um Modell-Recycling aus Kostengründen.)

Es gibt noch zwei Parallelhandlungen in diesem Roman, die allerdings nichts mit der Haupthandlung zu tun haben. Die beiden Abenteuer der Raumschiffe Pioneer und Essex passen zwar absolut in diese Frühzeit der Föderation (der Roman deckt immerhin einen Zeitraum von mehreren Monaten ab, wenngleich man das beim Lesen kaum merkt) und wirken daher nicht wie Fremdkörper. Aber sie sind nicht mehr als kurze Zwischenspiele. Beim Abenteuer der Pioneer, die kurz nach Beginn des Romans unter Malcolm Reeds Kommando gestellt wird, geht es darum, dass ein Technikerteam die Kompatibilitätsprobleme zwischen den Technologien der Föderationsvölker an Bord beheben soll. Neben Travis Mayweahter als Erster Offizier werden dem Leser aber auch andere Namen an Bord recht bekannt vorkommen. 😉 Gleiches gilt für das Abenteuer diplomatischer Natur, das die U.S.S. Essex unter dem Kommando von Captain Shumar bewältigen muss. Der vulkanische Commissioner Soval befindet sich an Bord der Essex und muss Verhandlungen mit den Saurianern führen, was erschwert wird, da es offenbar zwei größere Machtblöcke auf dem Planeten gibt.

Diese beiden Handlungsstränge sind für sich allein absolut okay. Der Pioneer-Strang speziell, da ich Malcolm Reed als Charakter sehr schätze und er vom Autor hervorragend getroffen wurde und in dieser Story auch mal über seinen Schatten springen muss. Der Essex-Strang ist etwas einfacher gehalten, aber hier gefiel mir der Ausflug zur sehr ungewöhnlichen Vega-Kolonie und die Andeutung am Schluss, dass im nächsten Roman die Saurianer eine größere Rolle spielen dürften.

Bewertung: Ein hervorragender Roman, der sehr abwechslungsreich ist und einerseits spannende Weltraumabenteuer liefert als auch einen Blick hinter die Kulissen der frühen Föderation ermöglicht sowie das Wiedersehen mit den liebgewonnenen Hauptcharakteren und größeren Nebencharakteren der TV-Serie. Was den absolut positiven Gesamteindruck lediglich schmälert ist die „Altlast“ von Trips vorgezogenem Scheintod und dass die beiden Storys rund um die Pioneer und die Essex wirklich nichts mit der eindeutigen A-Story rund um die „Lautlosen“ zu tun hatten, wobei diese B-Storys für sich auch sehr lesenswert waren.

Daher vergebe ich an „A Choice of Futures“ gute 5 von 6 Sterne und freue mich bereits auf Christopher L. Bennetts nächsten Enterprise-Roman „Tower of Babel“, der im Frühjahr 2014 erscheint. Die Reihe scheint jetzt wirklich in guten Händen zu sein.

5stars

Anmerkungen:

Die EndNX-01R-Backbordeavour entspricht der Beschreibung nach jenem Umbau der NX-Klasse, der Designer Doug Drexler für die 5. Staffel der Serie vorgeschwebt wäre und die er im Rahmen des „Ships oft he Line“-Kalenders Jahre später visuell präsentieren konnte. Sein Modell zeichnet sich vorrangig durch eine Anbringung einer Maschinensektion aus und Modifikationen an den Warp-Gondeln. (Mir persönlich gefällt dieser Adaptierung nicht besonders und bin ich froh, dass die Enterprise selbst auch in der Romanreihe davor verschont blieb.) Schiffe dieser Konfiguration gehören in Bennetts Roman zur „Columbia-Klasse“ zu Ehren der am Beginn des Romulanischen Krieges verlorenen Columbia. (Siehe hierzu die reihenübergreifende Roman-Trilogie „Destiny“.)

Starfleetuniform2162Christopher L. Bennett hat selbst eine Skizze erstellt, wie die ersten Sternenflottenuniformen der Föderation aussehen sollten. Sein Design beinhaltet Elemente von vielen späteren Sternenflottenuniformen und er hat auch eine neue Interpretation der teilweise sehr unterschiedlichen Schiffsabzeichen der TOS-Ära gefunden. Bennett hatte gehofft, dass seine Idee für die Uniform bei der Erstellung des Buchcovers Berücksichtigung finden würde. Leider hat Pocket Books aber schließlich nur eine Bild von Captain Archer aus dem Archiv geholt, auf dem er die Galauniform eines Captain der irdischen Sternenflotte trägt.

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