Rezension: Comic – „Asterix bei den Pikten“

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Selbst die größte Helm-Sammlung der Welt tröstet nicht darüber hinweg, dass Obelix in den letzten Jahren nur mäßig unterhaltsame Abenteuer erleben durfte.

Man konnte in den letzten Jahren meinen, die Gallier würden eine nicht gerade kleine Krise durchmachen, speziell einer: Albert Uderzo. 16 Jahre lang erschuf der Zeichner zusammen mit Autor René Goscinny insgesamt 24 Comic-Abenteuer der Gallier aus dem wackeren Dorf, das als einziges 50 vor Chr. den römischen Besatzern erfolgreich die Stirn bietet. Bis Rene Goscinny 1977 überraschend verstarb. Und obwohl Albert Uderzo das Projekt „Asterix“ damit nicht ad acta legte, waren die Auswirkungen von Goscinnys Dahinscheiden auf die beliebte Comic-Reihe unübersehbar. Die Intervalle zwischen den Comics wurde beträchtlich größer und so entstanden zwischen 1977 und 2009 nur 10 weitere Comics. (Zum Vergleich: Im Jahr 1966 allein erschienen 3 neue Geschichten und zu Goscinnys Zeiten verging nicht ein Jahr ohne zumindest ein neues Asterix-Abenteuer.)

Und trotz der längeren „Entwicklungszeiten“ waren die von Uderzo geschriebenen 10 Asterix-Bänden auch qualitativ nicht mehr so gut wie früher einmal. Waren Uderzos Geschichten anfangs noch ganz in Ordnung („Asterix bei den Belgiern“, „Die Odyssee“), fügte Uderzo laufend immer mehr übertriebene bis absurde Elemente ein. Trauriger Höhepunkt war hier sicher der Band von 2005, „Gallien in Gefahr“, der so gut wie durchgehend schlechte Rezensionen erhielt und generell als schlechtester Asterix-Band aller Zeiten angesehen wird. Dazu kam noch, dass mit „Asterix plaudert aus der Schule“ und „Asterix & Obelix feiern Geburtstag“ zwei Bände zu diesen 10 gehören, die lediglich ein Sammelsurium kürzerer Geschichten sind aber ohne roten Faden und auch nur bedingt unterhaltsam. Solche Bücher wären früher als Sonderband erschienen, aber niemals als regulärer Band gezählt worden.

2009 haben Asterix und Obelix ihren 50. Geburtstag gefeiert und angesichts der vorangegangenen Abenteuer, durch die Albert Uderzo sie in den Jahren davor geschickt hat, hätte man ihnen den Gang in die Frühpension durchaus gegönnt. Aber nichts da! Anstatt die Reihe einzustellen, erschien am 24. Oktober 2013 der 35. Band unter dem Titel „Asterix bei den Pikten„. Ein klassisches Reiseabenteuer von Asterix und Obelix, das erstmals vom neuen Autor/Zeichner-Team Jean-Yves Ferri und Didier Conrad erschaffen wurde. Und die beiden gönnen der Reihe einen ordentlichen Schluck Zaubertrank!

Asterix bei den Piktenf der Frankfurter Buchmesse

Die Pikten? Nie gehört? Manchem Gallier geht es in dieser Geschichte ähnlich, als mitten im Winter ein in einer Eisscholle eingefrorener Kerl in kariertem Rock und mit eigenartigen Tätowierungen am Körper an die Küste Aremoricaes angeschwemmt wird. Während der Druide Miraculix sich daran macht, den armen Kerl aufzutauen, kommt er zu dem Schluss, dass es sich bei ihm um einen Pikten, einen Bewohner Caledoniens handeln muss, dem heutigen Schottland! Eine Schlussfolgerung, die der aufgetaute Pikte nicht direkt bestätigen kann, ist er angesichts des Schocks doch bestenfalls imstande, mit Gesten und wirrem Gerede zu kommunizieren. Die Frauen des Gallier-Dorfes stört das aber nicht und geraten beim Anblick des gut gebauten aber so hilfsbedürftigen Neuankömmlings dermaßen ins Schwärmen, dass Häuptling Majestix befielt: Der Mann muss schleunigst wieder zurück nach Hause gebracht werden … bevor jeder Mann im Dorf von seiner Frau in schickes Schottenkaro gehüllt wird.

Fazit: Wie erwähnt gehen die beiden neuen Asterix-Schöpfer mit ihrem ersten Band kein großes Risiko ein und erzählen ein ganz klassisches Reiseabenteuer, das Asterix und Obelix in ein fernes Land führt und das die Klischees des jeweiligen Volkes humorvoll behandelt. Und so verwundert es nicht, dass man im Comic auf Schottenkaro, Kilt, Baumstammwerfen, Dudelsack und sogar das – wirklich bezaubernd dargestellte – Loch Ness-Monster trifft. Eine Geschichte mit viel weitgehend sicheren (dafür nicht ganz originellen) Gags aber auch gutem Wortwitz, wie die Running Gags rund um das Wort „Loch“ (schottisches Wort für See) und die erstaunliche Feststellung, dass Pikten eine Vorliebe für Piktogramme haben. 😀

Die Zeichnungen von Didier Conrad folgen dem Stil von Albert Uderzo wirklich so nah, dass kein Unterschied zu den zuletzt erschienenen Comics erkennbar ist. Absolut stilsicher.

kilt2Bewertung: Ferri und Conrad haben mit „Asterix bei den Pikten“ einen wirklich guten Asterix-Band herausgebracht, der eine sehr klassische Story erzählt und mit der Reise in ein fremdes Land das wahrscheinlich erfolgreichste Story-Konzept der gesamten Comic-Reihe überhaupt wieder aufgreift. Das ist zwar nicht originell und im Grunde wartet man nur auf das nächste Schotten-Klischee, das von Asterix und Obelix humorvoll kommentiert wird. Aber lustig ist es trotzdem und das ist wohl das Wichtigste. Und lieber ein Comic, der auf ein simples aber dafür bewährtes Konzept zurückgreift, als Experimente à la „Gallien in Gefahr“ oder noch eine Kurzgeschichtensammlung. „Asterix bei den Pikten“ bekommt von mir daher 5 von 6 Sterne!

5stars

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