Review zum Auftakt von Staffel 2: „Star Trek : Discovery – Bruder“

Normalerweise rezensiere ich hier auf meinem Blog nur die Pilotfilme von „Star Trek“-Serien. Doch den gestrigen Auftakt zur 2. Staffel von „Discovery“ nehme ich gerne wieder mal zum Anlass, ein Review zu verfassen. Und irgendwie ist die 2. Staffel ja auch ein Neuanfang für die Serie, da Staffel 1 ihre größten Handlungsstränge abgeschlossen hat und die U.S.S. Discovery sich von nun wieder mehr der Erforschung mysteriöser Phänomene widmen wird als dem Krieg.

Den Beginn der 60 Minuten langen Folge „Bruder“ (Originaltitel „Brother“) bildet ein kurzer Rückblick auf die in Staffel 1 abgeschlossenen Storys rund um den Krieg mit den Klingonen und Captain Gabriel Lorca im Spiegeluniversum, ehe nochmal in getrimmter Form der auf Staffel 2 Lust machende Schlussmoment der 1. Staffel wiederholt wird: Auf dem Weg von der Erde nach Vulkan, um Botschafter Sarek nach Hause zu bringen und den neuen Captain an Bord zu nehmen, reagiert die Discovery auf einen verstümmelten Notruf von Captain Christopher Pike und trifft auf die U.S.S. Enterprise.

In der Fortsetzung dieser Szene erinnert sich Wissenschaftsoffizierin Michael Burnham zurück an ihre Kindheit, als sie von Botschafter Sarek und seiner Frau Amanda in die Familie aufgenommen wurde und erstmals auf ihren neuen Stiefbruder traf: Spock, der als Kind recht exzentrisch war und nun unter Captain Pike auf der Enterprise dient. Als sich Pike zusammen mit einer Ingenieurin und seinem Chefwissenschaftler zur Discovery rüber beamt, ist Burnham sehr überrascht, dass es sich bei Letzterem nicht um Spock handelt, der sich ohne Erklärung eine ausgedehnte Auszeit genommen hat.

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Die junge Michael Burnham – begleitet von Sarek und Amanda – streckt hier ihrem Stiefbruder Spock die Hand entgegen. Der Anfang einer problematischen Beziehung.

Captain Pike erklärt, dass die Enterprise unterwegs war, um eines von sieben mysteriöses Raumphänomenen zu untersuchen, die erst vor wenigen Stunden zeitgleich über 30.000 Lichtjahre verteilt erschienen und mit einer Ausnahme auch ebenso zeitgleich wieder verschwanden. Da die Enterprise auf dem Flug zum letzten verbliebenen Phänomen – das die Sternenflotte als „Signal“ einstuft – ein Systemversagen erlitt und einige Zeit ausfallen wird, wurde Captain Pike vorübergehend das Kommando über die Discovery gegeben, um die Erforschung fortzusetzen. Am Ziel der Reise angekommen ist aber auch dieses Phänomen verschwunden. Stattdessen findet man einen riesigen Asteroiden vor, der sich auf Kollisionskurs mit einem Pulsar befindet. Die Forschungsmission wandelt sich abrupt in eine Rettungsoperation, als die Objektive der Discovery ein auf dem Asteroiden abgestürztes Sternenflottenschiff – die medizinische Fregatte U.S.S. Hiawatha – entdecken. Burnham, Pike und die beiden vom neuen Captain mitgebrachten Offiziere begeben sich auf die gefährliche Reise zum Wrack. Dort finden sie nicht nur Überlebende, die von der Ingenieurin „Jet“ Reno seit 10 Monaten betreut werden, sondern auch auf ein mysteriöses Wesen, das lediglich Michael Burnham für wenige Sekunden erblickt …

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Die U.S.S. Discovery trifft auf die U.S.S. Enterprise.

Fazit: Damit dieses Review im passenden Kontext steht, möchte ich noch kurz meine Eindrücke zur 1. Staffel von „Discovery“ zusammenfassen. Der Haupthandlungsstrang rund um den Krieg mit den Klingonen empfand ich leider als relativ schwach, vor allem weil das Konzept dieser Spezies und ihrer Motivationen sehr unausgegoren wirkten. Wie auch das neue Design der Spezies, das sowohl was Masken als auch Ausstattung angeht sich unnötig weit vom Etablierten entfernt hat – wie mit wenigen Ausnahmen die gesamte Optik der Serie. Das ist schon etwas sonderbar, wenn die Serie – wie von den Produzenten so oft betont – im sogenannten „Prime-Universum“ (also in einer Zeitschiene mit der klassischen Serie, der „Next Generation“-Ära und „Enterprise“) angesiedelt sein soll. Aber auch wenn man die Serie jetzt als mindestens „visuellen Reboot“ einfach mal akzeptiert, hat es auch allein innerhalb von „Star Trek Discovery“ in Staffel 1 inhaltlich gelegentlich mal massiv gehakt. Öfters wurde etwas eingeführt, nicht mehr weiterentwickelt und bestenfalls halbherzig später erklärt. Positiv an Staffel 1 empfand ich hingegen den Ausflug ins Spiegeluniversum und Captain Lorcas Rolle dabei, wie auch einige der Nebencharaktere wie Cadet Tilly, Lieutenant Stamets und Doktor Culber. Wiederum das schwächste Glied bei den Figuren stellte für mich ausgerechnet die als Hauptcharakter konzipierte Michael Burnham dar, die meiner Meinung nach zwanghaft in den Mittelpunkt von etwas geschrieben wurde, was eigentlich eine Ensemble-Serie hätte sein sollen.

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Tilly und Stamets zählten schon Staffel 1 zu den größeren Nebencharakteren – doch meistens im Schatten einer Michael Burnham. In „Bruder“ haben sie mehrere gemeinsame Szenen und generell tritt das Ensemble mehr in den Vordergrund.

Recht bezeichnend ist, dass man in Staffel 1 kaum die Möglichkeit bekam, sich auch nur die Namen der einzelnen Brückenoffiziere zu merken. Gleich der Auftakt zur 2. Staffel greift hier quasi korrigierend ein, denn da ein neuer Captain im Kommandosessel der U.S.S. Discovery Platz nimmt, kann dieser – genauso wie der Zuseher – die Offiziere kennenlernen.  (Diese Szene ähnelt ein wenig jener Vorstellungsrunde im 2. TOS-Pilotfilm, wirkt aber hier weniger aufgesetzt.)

Der wichtigste Neuzugang im Cast von Staffel 2 ist natürlich Captain Pike, der nun bereits vom vierten Schauspieler verkörpert wird. Nun ist es an Anson Mount, in die Fußstapfen von Jeffrey Hunter zu treten, der 1964 den ersten Captain Pike im 1. Pilotfilm „Der Käfig“ zur klassischen Serie darstellte. Damals sah man Pike vor allem in depressiver Stimmung und in meinem Review von „Der Käfig“ stellte ich die Vermutung an, dass Pike im Normalzustand etwas lockerer sein könnte. Die Darstellung in „Discovery“ dürfte diese Vermutung bestätigen, dann dieser Christopher Pike ist durchaus zu dem einen oder anderen Scherz in der Lage, prangert keine Fehler seiner Untergebenen an und scheint aus jeder Situation das Beste machen zu wollen, ohne gleich in eine kontemplative Phase zu verfallen. Trotzdem wandelt sich das Verhalten des neuen Captains recht stark, wenn er unter Druck gerät. Es fiel mir im Pilotfilm auf, dass sich sein Führungsstil recht radikal ändert, von laissez-faire zu autoritär in wenigen Augenblicken. Hier bleibt abzuwarten, welcher Stil sich festigt oder ob ein Mittelmaß gefunden wird.

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Captain Pike bringt Wissenschaftsoffizier Connolly (ganz rechts) und Ingenieurin Nhan (ganz links) mit auf die Discovery. Nhan ist Barzanerin und es ist auffällig, dass sich die Maske dieser Spezies seit ihrem bisher einzigen Auftritt vor fast 30 Jahren in „The Next Generation“ so gut wie gar nicht verändert hat. Die Maske der Saurianer (Mitte) hat hingegen ein ziemliches Update erfahren, seit wir die Spezies 1979 im 1. Kinofilm im Hintergrund sahen.

Ebenfalls Abwarten heißt es bei Commander Reno. Sie macht zwar einen guten ersten Eindruck, indem sie es als Ingenieuren geschafft hat, ihre schwer Verwundeten Kameraden im Wrack der U.S.S. Hiawatha am Leben zu erhalten, erstaunliche Technologie improvisiert und ihre raubeinige Art erinnert an einen Montgomery Scott. Aber es bleiben ein paar Fragen offen. Zum Beispiel meint sie, von dem „Signal“ nichts mitbekommen zu haben, einem Phänomen wie jene, die zum Teil bis zu 30.000 Lichtjahre entfernt auftraten und wahrgenommen wurden. Und das merkwürdige Wesen, das Burnham kurz erblickt, befand sich ja auch an Bord des Wracks und schien Reno auch entgangen zu sein. Zudem stellt sich die Frage: 10 Monate lang hat sich Reno um mehrere Verwundete gekümmert … aber kein einziger hat sich in dieser Zeit soweit erholt, um aufrecht stehen zu können?

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Denise „Jet“ Reno ist belesene Ingenierin auf einer medizinischen Fregatte gewesen und beamt zur Discovery.

Was die bereits in Staffel 1 wichtigeren Charaktere angeht, haben Stamets, Tilly und Saru alle ihre Szenen. Erfreulich ist, dass diese drei auch viel zum Humor der Folge beitragen. Auch das war ein Manko der 1. Staffel, aber ich hoffe, dass mit dem Ende des Krieges und einem – meistens – entspannteren Captain die Atmosphäre etwas heiterer wird und sich an die Stimmung annähert, die zumindest ich fest mir jener Ära verbinde, in dem die Serie angesiedelt sein will. Positiv ist auch, dass die 60 Minuten Laufzeit der Folge auch die Möglichkeit für längere Dialogszenen lassen. Es gab sogar zwei oder drei Szenen, in denen ich dachte, dass man schon fast zu lange an einem Schauplatz verweilt.

Es wäre jedenfalls schön, würden auch die kommenden Folgen etwas länger laufen. In der 1. Staffel haben die Produzenten nicht wirklich von der Möglichkeit einer Streaming-Serie Gebrauch gemacht, auf Abkürzungen zu verzichten. „Bruder“ nimmt sich ausreichend Zeit und benötigt diese auch, um die einzelnen Handlungsstränge zu starten, die im Lauf der Staffel zweifelsfrei noch weiterverfolgt werden: die seltsamen „Signale“, wie sie im Zusammenhang mit dem fremden Wesen, dem Asteroiden und dem Verschwinden von Mister Spock stehen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie dies alles miteinander verknüpft wird.

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Bevor die Discovery abfliegt, nimmt sie in ihrem Hangar noch ein Bruchstück des riesigen Asteroiden auf.

Spock ist natürlich auch ein großer Aufhänger in Sachen Kontinuität – obwohl ich wie erwähnt meine Schwierigkeiten habe, einen „visuellen Reboot“ richtig einzuordnen und mich frage, ob daraus nicht automatisch ein inhaltlicher Reboot wird, wenn Dinge anders aussehen oder gehandhabt werden. Am Ende der Folge gibt es in Spocks Quartier einige vertraute Gegenstände aus der klassischen Serie zu entdecken. Und eine Anspielung auf „Der Käfig“ gefällt mir besonders gut: Im Bereitschaftsraum der Discovery findet Captain Pike den Zettel aus einem Glückskeks (Anmerkung: Captain Lorca hatte eine Vorliebe dafür) und der Spruch darauf ist natürlich perfekt auf Captain Pikes vergangene und noch bevorstehende Erlebnisse gemünzt.

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„Nicht jeder Käfig ist ein Gefängnis, nicht jeder Verlust ist für immer.“

Kommen wir nun zu den technischen Aspekten der Folge: Das Seitenverhältnis des Bildes hat sich geändert. Bereits in der vorherigen Staffel war das Bild im 2:1-Format, also breiter als das geläufige 16:9. Staffel 2 geht noch weiter: Ab sofort ist „Star Trek Discovery“ im Kinobreitbildformat (2,4:1). Das sorgt auf den meisten Fernsehern und Monitoren zwar für recht auffällige schwarze Balken oben und unten, aber unterstricht noch mal die Ambition der Macher, mit der Serie ein gewisses „Event“-Gefühl wie von Kinofilmen zu erzeugen. Mit Produzent Alex Kurtzman übernahm jedenfalls jemand die Regiearbeit an dieser Folge, der Regieerfahrung sowohl im TV- als auch Kinobereich mitbrachte. An seiner Inszenierung ist nichts auszusetzen, zweimal sind Szenenwechsel sehr ungewöhnlich, aber interessant umgesetzt worden.

Die computer-generierten Effekte waren schon in Staffel 1 – meistens – sehr gut, allerdings recht stark gefiltert und so mit Unschärfen versehen und zu starkem Kontrast. Die Produzenten scheinen auf diese weit verbreitete Kritik aufmerksam geworden zu sein und so fällt auf, dass die Effektszenen in „Bruder“ deutlich klarer wirken als jene in der 1. Staffel. Das macht aus der U.S.S. Discovery selbst zwar kein schöneres Schiff, aber wenigstens sieht man sie jetzt besser. 😉 Gut umgesetzt aber zwiespältig sehe ich ein paar weitere, recht übertriebene Effekte, wenn sich zum Beispiel Raumanzüge und ihre Helme fast aus dem Nichts entfalten wie eine „Iron Man“-Rüstung oder sich in einer Sekunde ein riesiger Schwerkraft-Generator auf dem Hangardeck der Discovery selbst zusammensetzt oder dreidimensionale Hologramme aus einem Computerbildschirm einfach „rausgezogen“ werden. Solche Effekte mögen gut umgesetzt sein, aber passen für mich nicht in die „bodenständigere“ Ära der klassischen Serie.

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Die Helme der neuen Sternenflottenraumanzüge falten sich zusammen, wenn sie nicht gebraucht werden. Nicht gerade Technologie, wie ich sie mir im 23. Jahrhundert des „Star Trek“-Universums vorstelle.

Die Musikuntermalung ist in dieser Folge auch recht vordergründig. Schon in Staffel 1 traute sich Jeff Russo – zaghaft aber doch – Szenen hin und wieder etwas pompöser zu untermalen. Das steigert sich in „Bruder“ zumindest quantitativ. Ich würde mir aber wünschen, wenn er sich wirklich mal an Erkennungsmelodien herantraut, die einem im Gedächtnis bleiben. Ich kann problemlos ein paar Szenen aus „Bruder“ aufzählen, in denen die Musik aufdringlicher wird. Aber beschreiben oder nachsummen könnte ich sie nicht. Ein ähnliches Problem hat ja auch die Titelmelodie der Serie an sich, die man in der 2. Staffel leider nicht ausgetauscht hat. Dafür wurde der visuelle Teil des Intros auf den neuesten Stand gebracht. Motive, die auf die Klingonen hinwiesen, wurden ausgetauscht.

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Eines von mehreren neuen Motiven im Intro. Im Transporterraum verwandelt sich das Abzeichen der Enterprise in jenes der Discovery. Eine Sinnbild für Pikes Wechsel auf ein anderes Schiff.

Bewertung: „Bruder“ ist jedenfalls ein guter Start in die neue Staffel und ein gelungener Auftakt für mehrere und bereits von Beginn an zumindest lose verbundenen Handlungsstränge, die in den kommenden 13 Folgen sicher noch weiterverfolgt werden. Das lässt die neue Staffel bereits jetzt besser geplant wirken als es die vorherige war, lässt den Seher aber auch absichtlich mit relativ vielen offenen Fragen zurück. Einen Abschluss bildet eigentlich nur die Rettungsmission für die Hiawatha-Überlebenden. Aber jedenfalls erfüllt die Auftaktfolge zur neuen Staffel den Zweck, das Interesse hoch zu halten. Pike und Reno haben einen guten ersten Eindruck hinterlassen, das Ensemble dürfte noch wichtiger werden und die generelle Stimmung der Serie scheint – da man sich nun wieder auf die Erforschung des Unbekannten zurückbesinnt hat – neu ausgerichtet worden zu sein, was mir auch sehr zusagt. Den Auftakt der 2. Staffel einer Serie will ich nicht in den direkten Vergleich mit den von mir rezensierten Kinofilmen und Pilotfilmen setzten. Aber unabhängig davon bewerte ich „Bruder“ als sehr gut und gebe daher 5 von 6 Punkte.

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Zu guter Letzt noch eine Anspielung an die klassische Serie, die mir gerade eben noch aufgefallen ist: Commander Airiam – die trotz ihres hohen Ranges ein ziemliches Schattendasein auf der Discovery fristet – hält in dieser Szene etwas in der Hand, das ein PADD (ein tragbarer Computer) zu sein scheint. Er ist recht groß, dunkel und keilförmig. Wie die Geräte in der klassischen Serie, auf denen Kirk, Spock & Co. Berichte studierten und Unterlagen unterzeichneten.

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