Rezension: ETP – „Rise of the Federation: Live by the Code“

Im vierte Enterprise-Roman, dessen Ereignisse zeitlich nach der Gründung der Föderation angesiedelt ist, setzt sich die Mission der U.S.S. Pioneer aus dem vorangegangenen Roman „Uncertain Logic“ fort. Die Pioneer und eine Taskforce aus andorianischen Schiffen ist dabei, das Geheimnis sogenannter „Ware“-Technologie zu erforschen. Die hochentwickelte und vollautomatisierte Technologie hat sich über viele Sonnensysteme ausgebreitet und das in einem Maße, dass viele Zivilisationen von ihr abhängig geworden sind, obwohl zu ihrem Betrieb die Opferung von Teilen ihrer Bevölkerung notwendig ist.

Live By The Code cover

Im Verlauf der Mission kann die Taskforce so manchem Volk helfen, doch in „Live by the Code“ begegnet das andorianische Schiff Vol’Rala am Beginn einem friedlichen Völkerbund namens „Partnerschaft“, dessen Mitglieder in noch größerem Ausmaß als andere von der „Ware“-Technologie abhängig sind. In der Annahme, einem der Partnerschafts-Völker zu helfen, deaktiviert die Crew der Vol’Rala gegen dessen Willen die „Ware“ auf einem ganzen Planeten – mit verheerenden Folgen.

Da die Föderations-Taskforce schon auf mehrere Völker getroffen ist, denen sie gegen ihre anfängliche Weigerung, die Technologie aufzugeben, zu „ihrem Glück verhelfen“ mussten, nahm auch die Crew der Vol’Rala fälschlicherweise an, die Partnerschaft hätte sich täuschen lassen. Doch in diesem Fall sind die Partnerschafts-Völker nicht nur von der Technologie einfach nur abhängig – ihre gesamte Entwicklung war überhaupt nur dank der „Ware“ möglich. Als hauptsächlich Nicht-Humanoide wären viele der Völker in der Partnerschaft überhaupt nicht imstande gewesen, den Weltraum zu bereisen oder sich anderen Spezies mitzuteilen. Zudem ist sich die Partnerschaft völlig bewusst, dass „Ware“-Technologie die Gehirne lebender Wesen als Prozessoren verwendet, doch gelang es ihnen ein Verfahren zu entwickelt, die angezapften Individuen zu befreien bevor neurale Schäden entstanden. Inzwischen stellen sich Freiwillige zur Verfügung, die den Betrieb der Technologie dauerhaft sichern.

Das alles wusste die Crew der Vol’Rala natürlich nicht, als sie die vermeintlich „bösartige“ Technologie auf dem Planeten Etrafso deaktivierte und von der Partnerschaft daraufhin zur Verantwortung gezogen wird. Captain Reed von der Pioneer erhält die Gelegenheit, sich als Verteidiger auf das Gerichtsverfahren vorzubereiten. Wenngleich klar ist, dass die Crew der Vol’Rala trotz guter Absichten verantwortungslos und vorschnell gehandelt hat, versuchen die Pioneer – in Reeds Abwesenheit unter Commander Mayweathers Kommando – und die Endeavor – unter Captain T’Pols Kommando – die Herkunft der „Ware“-Technologie in Erfahrung zu bringen und zu beweisen, dass sie in böswilliger Absicht erschaffen und verbreitet wurde. Die Zusammenarbeit der beiden Schiffscrews ermöglicht es auch T’Pol und Charles „Trip“ Tucker (der sich unter falscher Identität auf der Pioneer aufhält), sich endlich wiederzusehen, wenngleich dieses Wiedersehen nicht frei von Sorge ist: Wie sich herausstellt, hat sich die mentale Verbindung, die zwischen den beiden seit Jahren bestand und es ihnen erleichterte, einen Fernbeziehung zu führen, aufgelöst.

 

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Im zweiten Jahr ihrer Mission war die Crew der Enterprise auf die Dienste einer „Ware“-Reparaturstation angewiesen (siehe Enterprise-Folge „Todesstation“).

Die Situation im von der Partnerschaft beanspruchten Raum spitzt sich weiter zu, als dort Klingonen auftauchen, die aufgrund einer Mutation (siehe Enterprise-Folge „Die Abweichung“) als Ausgestoßene gelten. Aus Angst vor der Föderation geht die Partnerschaft auf das Angebot der Klingonen ein, ihre Welten zu schützen. Im Gegenzug überlassen sie den Klingonen „Ware“-Technologie, mit der sie die – ohnehin seit Kanzler M’Reks Tod zerstrittene – Regierung auf der klingonischen Heimatwelt stürzen wollen.

Admiral Jonathan Archer hält sich in der Zwischenzeit auf Denobula auf, um dort der Vermählung von Doktor Phlox‘ Tochter mit ihrem dritten Ehemann beizuwohnen. Sie heiratet einen Antarner – mit diesem Volk lagen die Denobulaner lange im Krieg – wodurch auch radikale Gruppen plötzlich wieder auf der Bildfläche erscheinen und für Terror sorgen. Einer der Aufrührer auf denobulanischer Seite ist ausgerechnet einer von Phlox‘ Söhnen, der während eines Anschlags einen Antarner – den Vater des Bräutigams – tötet. Eine Auslieferung muss erfolgen, doch auch auf antaranischer Seite gibt es Radikale, die das Gesetzt selbst in die Hand nehmen wollen.

Fazit: „Live by the Code“ vermag vor allem im Vergleich mit dem vorangegangenen Roman zu gefallen, da die Geschichte trotz mehrere Handlungsstränge sehr kompakt vorgetragen wird. Nur die Handlung rund um Phlox und den denobulanisch-antaranischen Konflikt ist losgelöst vom Rest des Romans. Die Handlungsstränge rund um den klingonischen Bürgerkrieg und die Partnerschaft sind jedoch hervorragend miteinander verwoben. Die Welten und Spezies der Partnerschaft sind wie von Autor Christopher L. Bennett gewohnt sehr fantasievoll und doch plausibel wirkend beschrieben. Aber die Sorglosigkeit, mit der die Crew der Vol’Rala glaubt, die Partnerschaft von der „Ware“-Technologie befreien zu müssen, ist doch etwas schwer zu schlucken. Es ist nicht so, als hätten ihnen Brüger der Partnerschaft nicht bereits erläutert, wie die Technologie von ihnen produktiv genutzt wird. Dieser Fehler der Vol’Rala-Crew ist aber zumindest ein guter Vorwand, Admiral Archer am Schluss des Romans über eine Nichteinmischungsdirektive nachzudenken zu lassen. Eine solche Direktive stößt jedoch nicht bei jedem in Archers Umfeld auf Gegenliebe.

Neben der tragischen Geschichte rund um einen Irrtum mit verheerenden Folgen, gibt es aber auch sehr schöne Charaktermomente. In „Live by the Code“ treffen sich die meisten Mitglieder der alten Enterprise-Führungscrew wieder (ausgenommen Phlox, der auf Denobula verweilt) und dieses Treffen beinhaltet das Versprechen, dass Trip Tucker seine Karriere bei einer zwielichtigen Geheimdienstsektion bald an den Nagel hängen wird. Zeit wird’s, dass Bennett ihn endlich aus dieser Zwickmühle befreit, in die die beiden vorherigen Autoren der „Enterprise“-Reihe (Mangels & Martin) Trip völlig grundlos hineinmanövriert haben.

Auch neue bzw. bislang nur nebenbei erwähnte Charaktere stehen diesmal etwas mehr im Vordergrund. Vor allem die Brückencrew der Vol’Rala ist sehr interessant zusammengewürfelt und besteht nicht ausschließlich aus den üblichen Andorianern mit blauer Haut und zwei Antennen auf dem Kopf. Und auf Seite der Klingonen treten ein paar Charaktere auf, die wir auch schon aus der Serie kennen und eine wichtige Rolle dabei spielen, die klingonische Gesellschaft in der Ära zwischen „Enterprise“ und „The Orginal Series“  zu gestalten.

Bewertung: Nach zwei sehr soliden aber nicht überragenden Romanen gefällt mir „Live by the Code“ wieder ähnlich gut wie der allererste „Rise of the Federation“-Roman. Wie erwähnt verläuft nur ein Handlungsstrang gänzlich unabhängig vom Rest, der mit hohem Tempo voranschreitet. In den „Enterprise“-Romanen von Bennett vergeht immer recht viel Zeit, manchmal werden Wochen oder gar Monate übersprungen. Das war vielleicht auch in „Live by the Code“ der Fall – aber es fiel beim Lesen nicht auf. Ich hatte nie das Gefühl, dass der Geschichte zwischendurch die Luft ausgeht, wenn ein längerer Zeitraum zwischen den Kapiteln vergeht. Dass fast alle Handlungsstränge miteinander verbunden waren, half dabei. Mussten Pioneer und Endeavor also eine längere Reise hinter sich bringen, wechselte das Geschehen einfach mal im nächsten Kapitel ins Klingonische Imperium, wo sich auch für die Gesamthandlung Relevantes ereignete, um dann im folgenden Kapitel wieder zu den Sternenflottenschiffen zurückzukehren, die inzwischen das Ziel ihrer Reise erreicht haben.

„Live by the Code“ ist dank fremder neuer Welten und zugleich der Verbindung zu den Klingonen ein sehr gelungener Roman, in dem Neues auf Vertrautes trifft und das Geheimnis um die Entstehung der „Ware“ endlich gelüftet wird. Die größte Schwäche des Romans ist aber die Ausgangssituation, die jedoch ihre schockierende Wirkung nicht verfehlte: Ich war gelinde gesagt sehr überrascht, wie rücksichtslos die Crew der Vol’Rala gegen die Partnerschaft vorging.

Alles in allem bewerte ich den Roman mit starken 5 von 6 Sternen.

5stars

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