Rezension: TOS – “The higher Frontier“

Dieser Star Trek-Roman von Christopher L. Bennett ist währen der klassischen Filmära angesiedelt und beschreibt sowohl die Übergangszeit zwischen der zweiten 5-Jahres-Mission der Enterprise (nach „Star Trek: Der Film“) und James T. Kirks zweiter Admiralskarriere (vor „Star Trek II: Der Zorn des Khan“). Andererseits verknüpft Bennetts Geschichte die Ereignisse mehrerer Episoden, die das Thema „Telepathie“ behandeln.

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Telepathie – besonders bei Menschen – ist ein wiederkehrendes Thema in der Star Trek-Originalserie. In den meisten Folgen entstand sie durch ungewöhnliche Ereignisse, aber zumindest der Auftritt von Dr. Miranda Jones in der TOS-Episode „Die fremde Materie“ zeigt, dass sehr ausgeprägte telepathische Fähigkeiten bei einigen Menschen auch natürlich vorkommen. Ein Konzept, das gerade in die Ära rund um die Ereignisse des 1. Kinofilms sehr gut passt, die sich Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry als regelrecht „erleuchtete“ Ära der Menschheit vorstellte. Und erwähnte Dr. Jones – die für die Föderation als eine Art telepathisches Sprachrohr bei den nicht-körperlichen Medusen fungiert – kehrt in „The higher Frontier“ auf die Enterprise zurück, nachdem das Schiff unter Captain Kirks Kommando nach Andoria geschickt wird, um einen brutalen Angriff auf die Kommune der Aenar zu untersuchen. Ein Angriff, der diese telepathische andorianische Minderheit beinahe ausgerottet hätte.

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Die Aenar treten in der nach ihnen benannten Enterprise-Folge erstmals auf und verfügen im Gegensatz zu den meisten Andorianern über telepathische Fähigkeiten.

Die Angreifer – die von den überlebenden Aenar nach einer alten Legende als „Naazh“ (Phantome) bezeichnet werden – hüllen sich in nahezu undurchdringliche Rüstungen und können jede erdenkliche Waffe materialisieren. Selbst die Schilde der Enterprise bieten den verbleibenden Aenar keinen Schutz: Die Naazh materialisieren sich auf dem Freizeitdeck der Enterprise, liefern sich dort einen Kampf gegen das Sicherheitspersonal, der dramatisch endet, als es zu einem Hüllenbruch kommt, dem alle verbleibenden Aenar zum Opfer fallen.

Mit dem Aussterben der Aenar haben die Naazh ihr fürchterliches Werk aber noch nicht beendet: Monate später – die Enterprise ist inzwischen Captain Spocks Schiff und Admiral Kirk ist Kommandant der Sternenflotten-Akademie – tauchen die mysteriösen Angreifer auf einer Mittelmeerinsel der Erde und in anderen Siedlungen telepathisch begabter Menschen auf und schicken sich nun an, auch jeden einzelnen menschlichen Telepathen auszulöschen …

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Dr. Miranda Jones (dargestellt von Diane Muldaur, die später in „The Next Generation“ Dr. Pulaski spielte) war in der TOS-Folge „Die fremde Materie“ eine menschliche Telepathin, die ihre Begabung dazu nützte, um in Kontakt mit dem Medusen-Botschafter Kollos zu treten.

Fazit: Christopher L. Bennett führt in seinen Romanen gerne Ereignisse von Star Trek-Episoden zusammen und da er ja auch derzeit federführend bei der Fortsetzung von „Enterprise“ in Romanform ist, verwundert es nicht, dass er hier die telepathischen Aenar, denen wir in der 4. Staffel der Serie „Enterprise“ erstmals begegneten, in eine Geschichte einbindet, die der Entwicklung der in den Serien und Filmen angedeuteten menschlichen Telepathie auf den Grund geht. Ohne zuviel zu verraten ist auch interessant, wie Bennett hier das Schicksal von Captain Kirks Freund Gary Mitchell (siehe TOS „Spitze des Eisbergs“) neu interpretiert.

Das ist insofern deshalb interessant, da Bennett hier eine neue Variante der Hintergründe kreiert, die zu Gary Mitchells Veränderung in „Spitze des Eisbergs“ führten. Ich selbst bin mir noch immer nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Wie zumeist bei Bennett hat seine Darstellung wirklich Hand und Fuß; seine Herangehensweise und die Art, wie er die Geschichte weiterentwickelt, ist wirklich sehr kreativ und zugleich stimmig. Und die Enthüllung stellt eine große Offenbarung in der Geschichte dar – die aber auch durchaus nötig war. Denn wirklich sehr lange Zeit konzentriert sich Bennett darauf, die Angriffe der Naazh zu beschreiben und wie diese mal mehr und mal weniger erfolgreich abgewehrt werden können. Die Enthüllung, wer die Naazh tatsächlich sind und was sie ganz speziell gegen menschliche und andorianische Telepathen haben, kommt erst zu einem Zeitpunkt, an dem die Geschichte schon etwas ermüdend geworden ist. Und auch nach der Enthüllung ändert sich am Fokus, der auf der akuten Naazh-Bekämpfung an mehreren Fronten liegt, nicht allzu viel, außer dass man nun als Leser die Hintergründe kennt. „The higher Frontier“ bleibt bis zum Ende ein sehr action-lastiger und matialischer Roman. Gerade die Beschreibung von Action-Szenen ist aber nur bedingt eine Stärke von Christopher L. Bennett.

Das Einstreuen vieler kleiner Anspielungen auf die Serien ist im Gegensatz dazu aber absolut eine Stärke von ihm und so findet nicht nur „Discovery“ Beachtung, sondern auch die Zeichentrickserie. Konkret durch den Auftritt von Commander Thelin, der in einer alternativen Realität Erster Offizier der Enterprise war (siehe TAS „Das Zeitportal“).

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Der Andorianer Thelin war in der Zeichentrick-Folge „Das Zeitportal“ in einer alternativen Realität Captain Kirks Erster Offizier. In „The higher Frontier“ lernen wir Thelins Gegenstück aus dem Prime-Universum kennen. Und auch ein geflügelter Aurelianer taucht im Roman auf.

Die Charakterisierung der Enterprise-Stammbesetzung kann man wiederum nur als „ausreichend“ bezeichnen. Ja, sie sind gut getroffen … wenn sie überhaupt mal einen etwas größeren Auftritt haben. Aber durch das Ende der 5-Jahres-Mission und die Verteilung der Crew auf neue Posten und die Vorstellung ihrer neuen Kameraden dort, verteilt sich das Rampenlicht in „The higher Frontier“ auf ziemlich viele Charaktere. Lediglich James T. Kirk ist von den Hauptfiguren dauerhaft präsent, wobei ihn hauptsächlich die Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen er seine Sternenflottenkarriere fortführen kann. Selbst der telepathisch veranlagte Spock ist im Vergleich eher eine Randfigur in diesem Roman, aber treibende Kraft der Ereignisse – selbst im Finale – sind eigentlich nur die Naazh, über deren Motive man aber zu lange rätselt.

Bewertung: Die Geschichte ist solide erzählt, aber ihr Fokus auf aufeinanderfolgende Kampfhandlungen ermüdet mit der Zeit und der Punkt, an dem ich mir mehr Information über die Naazh wünschte, war schon recht weit überschritten, als der Roman Klarheit in die Angelegenheit brachte – die allerdings nicht wirklich viel am weiteren Tenor des Romans geändert hat. Das Telepathie-Thema hat in diesem Roman immerhin einen sehr interessanten Ansatz und mir gefiel, wie verschiedene Anwendungen dieser Fähigkeit, die man in der klassischen Serie sah, in die Geschichte eingeflossen sind. Das ist typisch für Christopher L. Bennett, aber seinen vorangegangenen Filmära-Roman „Ex Machina“ fand ich wesentlich unterhaltsamer. „The higher Frontier“ kann ich nur 3 von 6 Sternen verleihen.

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