Rezension: “Creating the Worlds of Star Wars – 365 Days″

Schon vor einigen Jahren las ich zwei englischsprachige „Star Trek“-Sachbücher, die im recht ungewöhnlichen „365 Tage“-Format beim Abrams-Verlag erschienen sind. Ende letzten Jahres wurde ich auf ein weiteres dieser sehr dicken Bücher aufmerksam, das diesmal keinen Blick hinter die Kulissen einer „Star Trek“-Serie wirft, sondern sich der ersten 6 „Star Wars“-Kinofilme annimmt.

knoll_SW365_01

Mit einer Größe von 24 x 16 Zentimetern und einer Dicke von 5 Zentimetern ist das Buch vergleichbar mit einem kleinen Ziegelstein – es wiegt auch fast so viel. 😀 Aufgeschlagen wirkt das Buch vielleicht etwas unhandlich, aber es ist ein sehr gutes Format für ein Buch, in dem es hauptsächlich um die darin abgebildeten Fotos geht, während höchstens ein Viertel einer der 365 Doppelseiten erläutertem Text vorbehalten ist.

Anders als die gleich beschaffenen „Star Trek“-Bücher, handelt es sich bei diesem Buch nicht um ein allgemeines Making-of. Es geht tatsächlich, wie der Titel schon sagt, um die „Erschaffung der Welten von Star Wars“. Dieses Thema beinhaltet aber eine ganze Menge. Weitaus mehr, als man vermuten würde.

Bei den meisten Kinofilmen in einem zeitgenössischen Umfeld wären mit diesen „Welten“ wohl hauptsächlich Kulissen gemeint. Bei einer aufwändigen Science-Fiction-Filmreihe wie „Star Wars“ umfasst dieser Begriff aber noch einiges mehr, denn die Protagonisten in diesen Filmen bewegen sich nicht nur innerhalb von Bühnenkulissen auf einer Soundstage, sondern auch in Umgebungen, die in vollem Maßstab so gut wie nicht umsetzbar gewesen wären. Es geht in diesem Buch auch um Hintergrundgemälde und Miniaturen, die mit den Kulissen in der Nachbearbeitung kombiniert wurden und im Falle der Prequel-Trilogie auch mittels Computertechnik.

Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass ich der Prequel-Trilogie (Episoden 1 – 3) wohl mehr abgewinnen kann als die meisten Star Wars-Fans. Die Original-Trilogie (Episoden 4 – 6) ist natürlich toll, aber ich finde, dass es die Prequel-Trilogie sehr gut schafft, das Universum von „Star Wars“ zu erweitern und zu vertiefen. Und ein wichtiges Werkzeug dabei ist die Gestaltung der unterschiedlichen Orte, die die Charaktere in den Filmen besuchen und einen genaueren Blick auf diese Orte gewährt in diesem Buch John Knoll, Visual Effects Supervisor beim renommierten Effekt-Studio ILM.

Viele der Fotos in diesem Buch hat John Knoll selbst während der Dreharbeiten aufgenommen, aber da er erst so richtig mit der Prequel-Trilogie an „Star Wars“ mitzuwirken begann, mussten Fotos zu den Dreharbeiten der Original-Trilogie erst aus den Archiven gesucht werden und es ist tatsächlich so, dass den alten drei Filme „nur“ ein Drittel des Buches gewidmet ist. Aber dennoch ist kein nennenswerter inhaltlicher Bruch zwischen den beiden großen Abschnitten im Buch zu merken, denn Knoll hat auch zu den Fotos der Original-Trilogie sehr gut recherchiert. Sein begleitender Text enthält einige Anekdoten zu den Dreharbeiten aus den 70er und 80er-Jahren.

Allerdings … John Knoll ist leider kein Schriftsteller. Denn was mich an seinen Texten stört, sind die vielen unterbrechenden Klammertexte, die penibel immer darauf hinweisen, auf welches Foto auf der Doppelseite er gerade Bezug nimmt. Mit der Zeit habe ich dann begonnen, die Klammertexte einfach zu überspringen.

Was dieses Buch aber sehr gut macht, ist – ohne es anzusprechen – das Aufräumen mit einigen Vorurteilen, die  doch so einige „Star Wars“-Fans äußern, wenn sie das Handwerk in den beiden Trilogien vergleichen und jenes der Prequel-Trilogie dabei geringschätzen. Selbstverständlich hielt Computer-Technik Einzug, als die Prequel-Trilogie Ende der 90er-Jahre begann. Aber ich wette darauf, dass viele Seher sehr oft falsch liegen würden, müssten sie genau anzeigen, wann computer-generierte Grafiken verwendet wurden. Natürlich weiß man beim Betrachten dieser Filme, dass riesige Hangars, gewaltige Städte und Landschaften, kolosseumgroße Arenen etc. nicht in Form echter Kulissen hergestellt wurden.

Aber es ist doch erstaunlich, dass viele der Orte, die wir in den Filmen sehen, nicht per Computer realisiert wurden, sondern in Form von enorm detaillierten Miniaturen oder teilweise sogar nur in Form zweidimensionaler Gemälde.

Es erstaunt zu erfahren, wie viel von dem, was man in den Filmen sieht, tatsächlich physisch existiert hat. Viele Tricks, die bei den klassischen Filmen angewendet wurden, wurden auch Jahrzehnte später genauso verwendet, um die fremdartigen Orte des „Star Wars“-Universums zu erschaffen. Sie sind nur ein bisschen besser geworden und diese zusätzliche Verbesserung im Handwerk scheint doch viele Seher zu täuschen und glauben zu lassen, dass der halbe Film aus dem Computer kommt.

Es ist auch wirklich interessant zu erfahren, wie um die Jahrtausendwende ein Übergang stattfand vom physischen Handwerk hin zur digitalen Erschaffung fremder Welten, die heute so selbstverständlich erscheint. So basierten die verwendeten computer-generierten 3D-Objekte in der Prequel-Trilogie oft auf Texturen von Fotoaufnahme der real gebauten Kulissen und Miniaturen, während 2D-Hintergrundgemälde nun durchgängig mit Photoshop-Software anstatt mittels Pinsel, Farbe und Leinwand entstanden.

Bewertung: Wie es das Buch tut, habe ich mich jetzt auch in dieser Rezension mehr auf die Prequel-Trilogie konzentriert, aber dieser Wälzer hat im ersten Drittel auch viel Interessantes zu den ersten drei Filmen zu bieten und insgesamt ist es wohl auch thematisch bedingt gerechtfertigt, dass der Prequel-Trilogie mehr Platz im Buch eingeräumt wird. Es gibt dort halt doch in Summe wohl mehr Schauplätze, denn die Kapitel zu den älteren drei Filmen wirken für sich auch sehr vollständig. Da das Buch chronologisch aufgebaut ist und der Handlung der Filme von einem Schauplatz zum nächsten folgt, kann man das ganz gut feststellen.

Und auch wenn es John Knoll als jemand, der an der Produktion unmittelbar beteiligt war, wohl nicht so wahrnimmt, beinhalten die Kapitel zu den drei Prequels für den Leser wohl auch mehr Überraschungen als jene zu den drei Original-Filmen. Trotzdem sind Knolls Klammertexte etwas störend. 😉 Und weil einige Panoramafotos (die besonders oft im Kapitel zu Episode 2 häufig vorkommen) über die Mitte der Doppelseite hinausgehen und manchmal das Interessanteste im Bild im Bund zwischen den Seiten platziert und daher kaum erkennbar ist, gebe ich diesem Buch nur 5 von 6 Sterne.

5stars

Anmerkung: Inzwischen gibt es neben den ersten sechs Episoden natürlich noch die Sequel-Trilogie und zwei für sich stehende Filme im „Star Wars“-Universum. Diese entstanden aber erst nach 2013, als die Zweitauflage von John Knolls Buch erschien. Die Erstauflage erschien sogar bereits 2005, also unmittelbar nach dem Finale der Prequel-Trilogie.

Hinterlasse einen Kommentar