Rezension: PIC – “The last best Hope“

Wie schon die Star Trek-Serie „Discovery“ startet auch die Roman-Reihe zur neuesten Serie „Star Trek: Picard“ mit einer Vorgeschichte. Während jedoch die ersten paar Romane von „Discovery“ einfach nur Geschichten erzählten, die zeitlich vor den Hauptereignissen der Serie angesiedelt waren, ist „The last best Hope“ (auf Deutsch unter dem Titel „Die letzte und einzige Hoffnung“ erschienen) inhaltlich sehr eng mit der Geschichte verknüpft, die in der ersten Staffel der TV-Serie erzählt wird.

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Alles beginnt im Jahr 2381 (also rund zwei Jahre nach den Ereignissen des Films „Nemesis“), als Captain Picard vom Oberkommandierenden eingeweiht wird, dass die Sternenflotte in Erfahrung gebracht hat, dass das romulanische Sternenimperium aufgrund einer Supernova vor der Auslöschung steht. Die Romulaner selbst – geheimnistuerisch und zugleich stolz wie sie sind – verbitten sich zwar Einmischung in die Evakuierung der Hauptwelten des Imperiums, aber zumindest gestatteten sie, dass die Vereinigte Föderation der Planeten bei der Umsiedlung der Bewohner einiger Welten helfen darf, die am Rande der Vernichtungszone liegen. Was immer noch den Transport von 900 Millionen Romulanern innerhalb weniger Jahren bedeutet! Ein gewaltiges Unterfangen, das zu managen die Sternenflotte nur Captain Picard zutraut, der daraufhin seine Beförderung zum Admiral akzeptiert und die USS Enterprise verlässt.

Aber er verzichtet nicht ganz auf Hilfe seiner alten Crew. Während Picard vor Ort die Evakuierung an Bord der USS Verity leitet, betraut er seinen Chefingenieur Geordi LaForge damit, den Bau gewaltiger Transportschiffe auf dem Mars zu koordinieren. Aber sowohl auf dem Mars als auch im Romulanischen Sternenimperium laufen die Bemühungen der Hilfsmission holprig an. Picard muss feststellen, dass die Romulaner bei der Aufnahme ihrer eigenen Landsleute auf neuen Koloniewelten sehr geringe Standards einhalten. In einem drastischen Schritt beschließt Picard daher eigenmächtig, Romulaner auch auf Föderationswelten zu bringen. Ein Schritt, der aus humanitären Gründen richtig erscheint, aber populistischen Politikern im Föderationsrat Auftrieb gibt, die sich ohnehin von der Föderation bereits benachteiligt fühlten, da sich durch den Abzug von Ressourcen Projekte auf deren Heimatwelten auf unbestimmte Zeit verzögern.

Auch viele Forschungsmissionen der Sternenflotte werden zurückgestellt und Commander Bruce Maddox vom Daystrom-Institut ist besonders davon betroffen. Sein Ziel war es stets, empfindungsfähige Androiden – wie Lieutenant Commander Data – zu bauen. Aber der Mangel an Arbeitskräften in den Werften des Mars zwingt ihn dazu, sich stattdessen mit dem Bau einfacher Roboter zu beschäftigen. Nicht mehr als Spielzeuge in seinen Augen. Nur die Beziehung zu seiner früheren Schülerin Dr. Jurati lässt ihn diese Zeit einigermaßen überstehen … bis er unverhofft eine Idee hat, wie er sein Lebenswerk doch noch verwirklichen kann.

Fazit: „The last best Hope“ deckt einen sehr großen Zeitraum ab, von 2381 bis 2385, und beschreibt über diese Jahre hinweg die Entwicklung einer zunehmend schwieriger werdenden Situation bis zum plötzlichen Zusammenbruch der Mission durch die Ereignisse, die in der TV-Serie in einer Rückblende (3. Episode) gezeigt werden. Durch diese Erzählweise wirkt der Roman allerdings sehr episodenhaft; es gibt immer wieder größere Zeitsprünge von viele Monaten und oft werden die übersprungenen Ereignisse zusammengefasst in übertrieben langen Logbuch-Einträgen von Admiral Picard, die sich recht mühsam lesen lassen. Das ist durchaus ein großer Nachteil dieses Romans, der sich zudem nicht nur auf Picard und die Crew der Verity konzentriert, sondern sehr viele Schauplätze zugleich ständig im Blick hat und die sich nur gelegentlich überschneiden.

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Raffi Musiker ist Admiral Picards Erste Offizierin auf der USS Verity.

Neben dem Mars, dem Daystrom-Institut und dem Föderationsrat kommt auch noch eine wissenschaftliche Debatte hinzu, ob die Romulaner oder die Föderation mit dem Ausmaß der Supernova recht haben. (Mit einer unheilvollen Andeutung zu Ursache der Supernova.) Hier zieht die Autorin Una McCormack sehr deutliche Parallelen zu Klimawandel-Leugnern und Beschwichtigern, die ungeliebte Meinungen unterdrücken.

Aber das ist nicht die einzige Bezugnahme auf reale Weltereignisse der letzten Jahre. Natürlich besonders deutlich wird auf die Flüchtlingskrise eingegangen und eine Art „Brexit“ wird in diesem Roman von mehreren Föderationswelten angedroht. (Tatsächlich wirkt deren Abspaltung vom Staatenbund im Roman sogar noch unsinniger als es bereits der „Brexit“ ist.) Genauso Thema ist das verstärkte Aufkommen von Populisten und eines gewissen Egoismus, durch den die Bereitschaft fehlt, für höhere Ziele sich in Verzicht zu üben. (Gerade in Zeiten des Corona-Virus ein wichtiges Thema, zu dem offenbar allgemein ein gewisses Umdenken in die meiner Meinung nach richtige Richtung geht – das sich aber hoffentlich auch fortsetzt, wenn diese Krise überwunden ist. Der Planet würde es uns danken.)

Der Roman ist sehr gut abgestimmt mit der Serie und auch mit dem Countdown-Comic. Inhaltlich passt das sehr gut zusammen, im Comic gibt es sogar eine Andeutung zum neuen Captain der Enterprise, die im Roman schließlich Bestätigung findet. Die beiden Geschichten decken aber auch nicht das gleiche Territorium ab. Was im Comic geschieht, wäre im Roman nur eine von den vielen Evakuierungen der Verity, die stattfinden, während im Roman zwischen den Kapiteln größere Zeitsprünge stattfinden.

Erwartungsgemäß keine Kompatibilität besteht allerdings mit den Romanen und Comics zur TNG-Ära, die nach „Nemesis“ erschienen sind. Aber das war auch nicht zu erwarten, „Picard“ ist eine neue Serie und ich denke, man kann als Fan sehr dankbar sein, wie erstaunlich gut sie sich an die vorangegangenen Serien hält. Begleit-Romane und -Comics sind halt stets – auch wenn sie manchmal anders beworben werden – nur Ideen, die aber von den Machern der Serie mühelos verworfen werden können. In 5 Jahrzehnten Star Trek-Literatur ist das schon unzählige Male passiert und vermutlich wird es auch „The last best Hope“ früher oder später treffen.

Bewertung: „The last best Hope“ ist ein sehr interessanter Roman, der sehr zum Nachdenken anregt und in dem vor allem einige Schicksale sehr berühren – wie das eines romulanischen Astronomen, dessen folgenschweren Erkenntnisse von seiner eigenen Regierung totgeschwiegen werden. Ein roter Faden, der all die Geschehnisse miteinander verbindet, ist absolut gegeben, aber da die Geschichten sehr episodenhaft im Roman aneinandergereiht werden, sind die Anknüpfungspunkte manchmal recht lose. Das betrifft interessanterweise ausgerechnet den „Kern“ der Geschichte, nämlich die Erlebnisse von Admiral Picard. Es liegt aber in der Natur seiner Mission, an Bord seines Schiffes von Planet zu Planet zu fliegen. Vielleicht ist das aber gerade auch der Grund, warum sich Picard in diesem Roman während seiner schwierigen Mission einen geradezu naiv wirkenden Idealismus bewahrt und er die politischen Konsequenzen daheim nicht sehen kann und anderen deren Handhabung überlässt – was schlussendlich nicht in seinem Sinne geschieht.

Ich gebe „The last best Hope“ 4 von 6 Sterne. Wie erwähnt ist es ein interessanter und nachdenklich stimmender Roman, der sich aber einiger stilistischer Mittel einer Chronik bedient, was öfters den Lesefluss unterbricht. Ich habe doch eher überdurchschnittlich lange gebraucht, um diesen Roman zu lesen.

4stars

3 Gedanken zu “Rezension: PIC – “The last best Hope“

  1. Hallo Markus,

    zunächst wünsche ich Dir frohe Ostern, trotz der ganzen Ausnahmesituation, die wir derzeit durchleben.

    Du hast eine schöne Rezension zu „The Last Best Hope“ geschrieben. Ich fand es sehr spannend, Deine Gedanken dazu kennenzulernen. Ich habe meinerseits vor einer Weile eine zu diesem Buch verfasst:
    http://www.startrek-companion.de/STC2008/relaunch/pic_lastbest.html

    Obwohl mich die Geschichte als solche bzw. die konkrete Ausgestaltung des Buches nicht unbedingt vom Hocker gerissen hat, finde ich das außen- und innenpolitische Setting dennoch sehr spannend. Ich muss zugeben, ich hätte „The Last Best Hope“ wesentlich lieber als Inhalt einer PICARD-Serie gesehen als das, was wir schließlich vorgesetzt bekommen haben (nach meinem Dafürhalten ein fürchterliches Kuddelmuddel). Hier hat noch wesentlich mehr Hand und Fuß als in der neuen Serie, und angesichts des hohen Zeitdrucks, unter dem McCormack das Buch geschrieben hat, hat sie immerhin das Bemühen gezeigt, einige Dinge zu erklären (wenngleich nicht alles aufgehen mag).

    „The Last Best Hope“ hat mich jedenfalls trotz meiner eher durchschnittlichen Beurteilung weiter beschäftigt – und das rechne ich dem Buch hoch an. Ich habe zuletzt eine kurze Novelle geschrieben, die sich mit dem zeitlichen Zwischenraum zwischen McCormacks Buch und der Serie befasst. Es ist mehr ein Mosaik aus einzelnen Szenen, Einträgen, verschiedenen Stilelementen, mit denen ich ein wenig experimentiert habe, um etwas Kompaktes abzufassen… Ich habe versucht, viele Verknüpfungen zu Episoden und Filmen herzustellen. Vor allem ging es mir jedoch darum, die verhängnisvollen Veränderungen im Wesen der Föderation tiefer zu beleuchten und Bezüge zu unserer Gegenwart herzustellen.

    Falls es Dich interessiert:

    Klicke, um auf DefiningMoment.pdf zuzugreifen

    Ich wünsche Dir eine gute Zeit und vor allem Gesundheit.

    Liebe Grüße,
    Julian

    • Hallo Julian!

      Ja, was die Struktur der Erzählung angeht, haben wir zu „The last best Hope“ sehr ähnliche Meinungen. Das über einen langen Zeitraum von Schauplatz zu Schauplatz und Thema zu Thema springende Buch tut dem Erzählfluss nicht gerade gut, aber als Vorgeschichte zur Serie sind einige dieser Schauplätze auch als eine Art „Pflichtübung“ zu sehen, um den Roman wirklich als Tie-in darstellen zu können.

      Ich finde, dass Una McCormack diese Art der Erzählung aber hier unterhaltsamer hinbekommen hat, als es beispielsweise Michael A. Martin mit seiner offiziellen „Romulan War“-Duologie geschafft hat. Der Ansatz dort ist ähnlich, aber McCormacks Erzählung wirkt dichter.

      Was die Supernova angeht, denke ich, dass hier eher auf einen weiteren Prequel-Roman angedeutet wird und nicht auf die Serie – die ich übrigens in Summe als wirklich sehr gut erachte! Da kann ich deine Meinung leider nicht teilen.

      Ich selbst hatte aber auch nicht den Anspruch an die Serie gestellt, mir zu erzählen, was es mit der Vergangenheit auf sich hat, sondern fand es eigentlich sogar sehr, sehr positiv, dass Picard durch ein aktuelles Ereignis – seine Begegnung mit Dahj – in ein neues Abenteuer verwickelt wird. Dass der „Androiden-Aufstand“ im Zuge dessen aufgeklärt wurde, ist für mich da sogar mehr ein Bonus als eine Erwartung gewesen. Abgesehen vom Mittelteil – konkret der 4. und 5. Folge, die mehr im „Planet of the week“-Stil waren – hat die 1. Staffel von „Picard“ für mich sehr gut funktioniert. Sicher nicht perfekt, aber gerade für einen Auftakt einer Star Trek-Serie gelungen, die auch einem etwas anderen Erzählkonzept gefolgt ist, was zugegeben auch den Vergleich mit den anderen Serien schwierig macht. Aber ich persönlich war sehr zufrieden mit Staffel 1, die auch wesentlich gelungener das 24. Jahrhundert darstellte, als dies „Discovery“ mit dem 23. Jahrhundert gelang.

      LG Markus

  2. Gar kein Problem, Markus. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die einen Feldzug gegen die Befürworter der neuen Serien führen. Ich bin nur selbst keiner dieser Anhänger. Allerdings hatten mich ja gerade die ersten drei Episoden gereizt, weil es mir schien, dass da ein richtiges, dichtes Setting entwickelt wird – eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllt hat (zumindest nicht in Bezug auf Staffel eins). Ich finde es schade, dass die Serie in sich viel zu inkonsistent ist und immer wieder den Faden verliert und Widersprüche produziert, aber es stört mich nicht, dass es PICARD gibt.

    LG
    Julian

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