Rezension: TOS:SFA – “Crisis on Vulcan“

“SFA” steht hier in meinem Blog als Kürzel für „Starfleet Academy“, einen Zusatz, den schon mehrere Star Trek-Romane trugen, wenn sie die Abenteuer jüngerer Charaktere (meistens Hauptcharaktere der jeweiligen TV-Serien) im Star Trek-Universum erzählten. Im deutschsprachigen Raum kennt man Romane mit diesem Titelzusatz vorrangig unter dem Namen „Starfleet Kadetten“, unter dem der Heyne-Verlag in den 90er-Jahren diese für die jüngere Leserschaft konzipierten Geschichten herausbrachte. Heyne übersetzte und veröffentlichte aber nur „Starfleet Academy“-Romane zu den Serien „The Next Generation“ und „Deep Space Nine“, während in den USA jedoch auch u.a. drei Romane zu „The Original Series“ erschienen sind, in denen jeweils einer der Hauptcharaktere von TOS – Kirk, Spock oder McCoy – im Mittelpunkt stand und der beleuchtete, wie diese drei in jungen Jahren so waren. Wenngleich die beiden TNG-Academy-Romane, die ich vor vielen Jahren gelesen habe, nicht gerade berauschend waren und der jungen Zielgruppe entsprechend (vielleicht 10jährige würde ich schätzen) auffallend simpel formuliert (oder so ins Deutsche übersetzt) worden sind, ist es doch interessant, mal einen Blick auf diese drei Romane zu werfen, da sich ja die aktuellen Star Trek-Kinoabenteuer ebenfalls um die junge TOS-Crew drehen. „Crisis on Vulcan“ wie auch die beiden folgenden Academy-Romane aus den 90ern sind zwar logischerweise im Prime-Universum angesiedelt, aber da die Charaktere im neuen Star Trek-Universum ja direkt abgeleitet sind, ist es doch interessant zu sehen, welche Unterschiede in der Interpretation bestehen.

Crisis_on_Vulcan

Vorweg gesagt: Die Unterschiede sind kaum wahrnehmbar! Wir haben hier im Grunde den gleichen, jugendlichen Spock, den wir in den führen Szenen des Star Trek-Films von 2009 schon gesehen haben. Von Co-Drehbuchautor Roberto Orci weiß man ja, dass er auch Star Trek-Romane liest. „Crisis on Vulcan“ hat er zwar nicht in seiner Favoritenauflistung genannt, aber angesichts der Thematik des Romans und der äußerst ähnlichen Darstellung des jungen Halb-Vulkaniers Spock, ist die Vermutung, dass er „Crisis on Vulcan“ zumindest zu Recherchezwecken gelesen hat, ganz sicher nicht abwegig.

Wer den Film gesehen hat, wird sich jetzt vielleicht wundern: „Aber im Film haben wir Spock gar nicht als Kadetten gesehen.“ Stimmt! Denn obwohl der Roman den Titelzusatz „Starfleet Academy“ trägt, ist Spock auch in diesem Roman nicht auf einer einzigen Seite ein Kadett der Sternenflotte oder befindet sich auf dem Campus der Akademie. Stattdessen behandelt der Roman wie auch der Film Spocks Entscheidungsfindung, nicht auf die vulkanische Wissenschaftsakademie zu gehen sondern der Sternenflotte beizutreten. Die Geschichte dreht sich darum, dass Spocks Vater – Botschafter Sarek – erfolgreich einen Vertrag mit den Völkern des Marath-Systems ausgehandelt hat. Zumindest hat es anfänglich diesen Anschein, doch schon kurz nach Unterzeichnung des Vertrags wird deutlich, dass die alles anderes als unterschwellige Unzufriedenheit mancher marathanischer Vertreter nicht von jener Natur ist, wie man sie erwarten kann, wenn alle Seiten Kompromisse eingehen müssen. Bis nach Vulkan verfolgt Sarek der Zorn der Marathaner, der sich in Form von Attentaten auf seine Familie in schrecklicher Form manifestiert.

Zur gleichen Zeit ist der junge Spock unsicher, welchen Weg er in Zukunft einschlagen soll. Eigentlich war schon festgelegt, dass er im kommenden Jahr an die renommierte vulkanische Wissenschaftsakademie wechseln soll – wenngleich von mehreren Seiten Zweifel geäußert werden, ob er aufgrund seiner Herkunft den hohen Anforderungen dort gerecht werden kann. Eine Alternative, die jedoch noch kein Vulkanier in Anspruch genommen hat, böte sich an: Da Spock während der Rückreise von Marath an Bord des Raumschiffs Enterprise sowohl Captain April als auch dessen Ersten Offizier Christopher Pike beeindruckte, bieten sie ihm die Möglichkeit an, auf die Sternenflottenakademie zu gehen. Vulkanier dienen zwar bereits in der Sternenflotte – allesamt Absolventen der Wissenschaftsakademie – aber noch keiner hatte bisher die Sternenflottenakademie besucht.

Fazit: „Crisis on Vulcan“ ist ganz anders, als jene wenigen Kadetten-Romane, die ich vorher gelesen habe. Von vereinfachter Schreibweise keine Spur (sofern ich das bei einem englischsprachigen Roman feststellen kann). Aufgrund der Kürze des Romans – nur rund 130 Seiten – ist die Geschichte zwar sehr zügig erzählt, aber die „Krimi-Handlung“ rund um die Attentate nimmt ohnehin nicht allzu viel Raum ein. Wesentlich vordergründiger ist jener Teil der Story, in dem es um Spocks Entscheidung geht, seine Dialoge mit seinen Eltern, seine Wahrnehmung der Reaktionen auf ihn, als er ein paar Kurse an der Wissenschaftsakademie besucht, seine Beobachtungen an Bord der Enterprise, etc. Es ist wirklich kein großer Gedankensprung nötig um zur Vermutung zu gelangen, Roberto Orci habe diesen Roman gelesen, bevor er das Skript für den elften Star Trek-Kinofilm verfasste. Sogar eine Parallele zur Behandlung eines bestimmten Themas im zwölften Film „Star Trek Into Darkness“ fällt auf: des Themas „Freundschaft“. Mal abgesehen von den Passagen an Bord der Enterprise (die auch auf jedem anderen Sternenflottenschiff hätten stattfinden können), könnte die Geschichte genauso gut im neuen Universum angesiedelt sein.

Hingegen bei den Zeichnungen ist doch recht eindeutig Leonard Nimoy Vorbild gewesen. Welche Zeichnungen, fragt ihr euch? Nun, eine Besonderheit der SFA-Romane aus den 90ern ist, dass alle paar Seiten eine Zeichnung die Handlung illustriert. (Was auch ein Indikator dafür ist, für welche Altersgruppe diese Romanereihe wohl gedacht war.) Der Zeichner Todd Cameron Hamilton leistete hier sehr gute Arbeit, die Zeichnungen sind stilistisch interessant und passen sehr gut zu den Beschreibungen im Roman. Vor allem Spocks Eltern sowie Christopher Pike sind ihm besonders gut gelungen. Spock bedingt, da wie erwähnt hier Leonard Nimoy Pate stand und Hamilton das Gesicht für einen Jugendlichen etwas gar zu kantig und ausgemergelt darstellt. Die nicht von ihm stammende Illustration auf dem Buch-Cover ist da ganz anders und zeigt eindeutiger ein jüngeres Gesicht.

Bewertung: Wie gesagt ist die Handlung an sich jetzt nicht wahnsinnig aufregend und macht den kurzen Roman keinesfalls zu einem Pageturner. Aber er ist ein sehr feines Charakterstück und sofern ich es anhand der englischsprachigen Fassung feststellen kann, würde ich aufgrund des Textes allein nicht darauf kommen, dass sich dieser Roman nur an eine jugendliche Leserschaft wendet. Sicher funktioniert für Jugendliche Spock als Identifikationsfigur in diesem Roman besonders gut, ist er doch hier in einem Alter, in dem auch die meisten Menschen erste wirklich wichtige eigenständige Entscheidungen treffen müssen. Dennoch für Star Trek-Fans generell und speziell Fans des Charakters Spock jeder Altersgruppe ist der Roman sehr empfehlenswert. Eine kurze Lektüre, die sicher niemandem schaden wird und bestenfalls viele als interessant empfinden werden. Ich vergebe an „Crisis on Vulcan“ knapp 5 von 6 Sterne.

5stars

Anmerkung: Nicht nur in den 90er-Jahren gab es „Starfleet Academy“-Romane, sondern auch in den Jahren nach dem Kinofilm von 2009 erschien eine eigene Jugendbuchreihe mit diesem Titel. Diese Romane richteten sich weniger an Kinder, sondern mehr an Jugendliche und sind inhaltlich klarerweise im neuen Universum angesiedelt. Vier Romane sind erschienen (nur die ersten beiden auf Deutsch beim CrossCult-Verlag), die recht solide waren mit Ausnahme des wirklich besonders hervorragenden vierten Romans „The Assassination Game“. Ein fünfter Roman der Reihe war angekündigt, ist aber leider nie erschienen.

Eine weitere Reihe, die keine Fortsetzung mehr erhielt, hieß nur schlicht „Academy“. Der ebenfalls wirklich sehr gute erste Roman „Collision Course“ hätte der Auftakt einer mehrteiligen Reihe (wahrscheinlich eine Trilogie) rund um Kirk und Spock an der Sternenflottenakademie werden sollen. Mit dem fast gleichzeitig erscheinenden und thematisch ähnlichen Kinofilm „Star Trek“, der erwähnten Jugendbuchreihe und dem Umstand, dass Reeves-Stevens-Romane vom amerikanischen Verlag „Pocket Books“ offenbar im Moment nicht mehr gewollt sind, sieht es auch hier düster mit einer Fortsetzung aus.

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